Arbeits-Buchtitel "AIMAQ´s ROSEN"

Wie kam ich nach Afghanistan

Dazu muss ich etwas weiter ausholen. Nach der deutschen Wiedervereinigung gründete ich in Berlin-Buch mit Karl-Heinz P. die Firma TSE GmbH. Karl-Heinz war zu DDR-Zeiten mit IM- und Export beschäftigt, sprach so ziemlich alle slawischen Sprachen , hatte in Leningrad (St. Petersburg) studiert und war mit einer Russin verheiratet. Wir beide machten uns dann gemeinsam auf den Weg nach Russland. Selbst hatte ich indirekte Kontakte über zwei österreichsche Firmen und eine Hamburger Firma nach Moskau. Als erstes lud man uns nach DUBNA ein, bis zu dem Zeitpunkt war DUBNA eine für Ausländer gesperrte Stadt. Wir machten mit Fa. SERVEX zunächst ein "kleines" Geschäft. Die Russen sind zwar gut im Wodka herstellen aber Bierbrauer waren sie nicht :-) Also verkauften wir Ihnen eine mobile Bierbrauerei, die aus drei Container bestand und pro Tag 1000ltr produzieren konnte (natürlich nach deutschem Reinheitsgebot). Als nächstes verkaufte ich Ihnen die gebrauchten und zurückgenommenen Telefone der Deutschen Telekom. Diese wurden dann in DUBNA überholt und in Moskau weiterverkauft. Zusammen mit Servex installierten wir auf dem Flughafen in RIGA/Lettland eine Satellitenanlage für internationale Telekommunikation. Zu der Zeit war Lettland noch Entwicklungsland was die Telekommunikation betraf. Leider waren sich die Letten und die Russen nicht mehr "grün". Das führte dazu, dass auf der lettischen Seite zwar das Geld eingenommen wurde aber letztlich nicht bei meiner Fa. landete welche die Satellitenkosten zu tragen hatte. Nach 3 Monaten zog ich die Notbremse und stellte die Anlage in Riga ab. Die Letten führten das Geld nicht ab, ich musste 60.000DM abschreiben und die Russen holten die Anlage zurück nach Moskau. Die Rückholaktion wurde konspirativ und mit Waffeneinsatz durchgeführt wurde mir berichtet. Wir besuchten dann noch weitere "Gesperrte" Städte unter anderen Nishni Nowgorod. Auf dem Flug dahin tuschelten die Stewardessen: "Die Ersten europäischen Schwalben fliegen ein", damit waren Karl-Heinz und ich gemeint. Die Geschäfte die man zu der Zeit in Russland machen konnte waren begleitet von mafiösen-Strukturen und frühkapitalistischem Ausbeutertum. Ein ehrbarer Kaufmann tut sich da schwer, daher gab ich das Geschäftsfeld in Russland auf und kehrte zurück zu meinen "Leisten" den Computern.

Auf der gleichen Etage (in Hamburg- wo meine Firma residierte) befand sich eine Im- und Export Firma; Inhaber war ein Afghane namens JUSSUF T. Er fragte mich eines Tages: Kann man das was du in Riga aufgestellt hast auch in Kabul Afghanistan machen ? Klar kann man das. Kabul hatte keinen internationalen TelekommuniKations Zugang mehr und nur ein eingeschränktes Stadtnetz.
Bei seiner nächsten Reise nach Kabul fühlte JUSSUF T. bei der Regierung vor, was man von einem solchen privatem Engagement einer deutschen Firma hielten. Er bekam grünes Licht und wir fuhren dann gemeinsam nach Kabul zu den Vertragsverhandlungen. Die Verhandlungen zogen sich 6 Wochen hin, ich war immer drauf und dran aufzugeben, man bedeutete mir geduldig zu sein. Irgendwann wurde ich zum Präsidenten Rabbani eingeladen. Da wusste ich : Die Chose ist gelaufen. Mein Vertragspartner war Herr SHARIFI (Planungspräsident im Telecommunications-Ministerium) , 5 Wochen tat er so als ob er kein Wort deutsch konnte, dann erzählte er mir er habe in Freiburg studiert. 5 Wochen hat er jedes Wort mitgehört was wir auf deutsch sprachen, muss wohl alles ok gewesen sein :-). Der Vertrag wurde feierlich im Aussenministerium mit Generälen und Ministern unterzeichnet. Herr SHARIFI ist einer von VIER afghanischen FREUNDEN geworden die mich alle Jahre hindurch begleiteten.

Lieferung und Beginn der Installation

Nun wo der Vertrag abgeschlossen ist, konnte die Beschaffung der Technik und des Raumsegmentes auf dem Satelliten losgehen.
Als Lieferanten für die Hardware kamen nur 2 Firmen seinerzeit in Frage: eine Kanadische Firma oder Dornier am Bodensee. Natürlich entschied ich mich für DORNIER, denn dort gab es noch genügend Fachwissen zum Aufbau von Satellitenkommunikation. Vor 1993 gab es ca. 6 Firmen in Deutschland die die Technik beherrschten. In 1994 gab es nur noch 2 Firmen die sich damit beschäftigten, Dornier war die einzige die auf dem Gebiet noch Entwicklung betrieb. Normalerweise hätte eine grosse Satellitenschüssel ausgereicht, aber ich entschied mich aus Redundanzgründen (sprich Kriegseinwirkung) für 3 kleinere Antennen. Der technische Aufwand war zwar dadurch grösser , aber wie sich herausstellen sollte war die Entscheidung goldrichtig. Der Antennendurchmesser war mit Verpackung ca. 2,80mtr, was etwas Probleme beim Verladen in das ARIANA-Flugzeug in DUBAI mit sich brachte. Die grössere Antenne wäre in Einzelteilen kleiner gewesen. Die notwendige Computertechnik sowie Faxgeräte, Schalter und Telefone konzipierte meine eigene Firma.

Für die Satellitenkommunikation schloss ich einen Vertrag mit der deutschen Telekom, die auch meine Telefonverbindungen in BERLIN (Wannsee) ins internationale Netz einspeiste. Dieser Vertrag war damals ein Novum, denn ich war neben der Telekom damit der erste private Service-Provider. Alle heutigen deutschen Telekom-Service Provider kamen nach mir.

Das gesamte Equipment wog einige Tonnen und der Transport per Flugzeug war auch nicht gerade preiswert, selbstverständlich begleitete ich den Transport. Das war ein paar Tage vor Weihnachten 1994. Damals gab es auf dem Flughafen in Kabul noch keine maschinelle Entladung, alles wurde per Hand mit vielen Leuten bewerkstelligt, die Arbeiter lebten nur von dem Bakschisch was man Ihnen gab. Im laufe der Zeit in Afghanistan hab ich gelernt, das es am besten ist bei Beginn einer Arbeit ca 50% zu zahlen um die Leute zu motivieren und den Rest nach der Arbeit, vorausgesetzt man kennt die Preise.
Man muss wissen das in Afghanistan bei Geldübernahme ein Vertrag zustande kommt. Daher muss man als Ausländer sehr vorsichtig sein, Geld zu "berühren" oder gar entgegenzunehmen wenn einem nicht hundertprozentig klar ist wofür das GELD ist was man in die Hand nimmt. Das gilt übrigens auch in Deutschland, wenn man von einem Afghanen Geld in die Hand nimmt! Hier hilft eine Quittung worauf vermerkt ist WER, WIEVIEL, WOFÜR und WANN Geld übergeben hat. Erst die Quittung ausstellen, unterschreiben lassen und dann erst das Geld anfassen!!!

Die Weihnachtstage verbrachte ich in JUSSUF T. ´s Haus in Wazir Akbar Khan /Market. In dem Haus wohnte seine Schwester mit drei Kindern 2 Mädchen ROJA,...., und einem Jungen.... .
Ich malte mir auf dem Bildschirm meines Laptops einen Weihnachtsbaum mit Christbaumkugeln, die Kinder staunten und ich musste ständig einen Kloss im Hals runterschlucken. Betten gibt es in einem afghanischen Haushalt selten. Aber JUSSUF hatte eines im Zimmer neben der Küchen-Durchreiche. dort hing ein Vorhang in der Durchreiche, manchmal hörte ich die Kinder dahinter kichern und sie lugten dann auch schon mal hindurch. Afghanen schlafen meist auf flachen Matrazen auf dem Fussboden.

Weihnachten gibt es zwar in Afghanistan nicht, aber ich hab den Verdacht das jedes wichtige Fest in der Welt auch in Afghanistan gebührend gewürdigt wird und der Afghane an solchen Festtagen aus Solidarität ruht. Nach Weihnachten begannen wir mit dem auspacken der Kisten und Kasten und dem Einrichten eines kleinen Raumes im Gebäude des Ministeriums für Telekommunikation. Wir bekamen im HAUPTPOSTAMT einen Bereich zugewiesen in dem wir 8 Telefonzellen aufstellten. Ein Dieselgenerator (Marke Eigenbau) wurde beschafft und draussen in einem Verschlag abschliessbar untergestellt. Das Kabel wurde der Einfachheit halber durch eine zerbrochene Fensterscheibe ins Gebäude verlegt. Strom war meist nur abends für einen paar Stunden verfügbar. Das half uns nicht, denn die Afghanen kamen tagsüber zum Hauptpostamt.

Am 1. Januar 1995 wache ich um 6:00 Uhr auf, und wundere mich über das Feuerwerk..denke noch die Afghanen feiern doch garnicht Sylvester .. da sehe ich aus dem Fenster nach Süden wie Geschosse , von links nach rechts und umgekehrt fliegen, Leuchtspurmunition .. es kracht und böllert wie Sylvester. Mir wird bewusst das hier wieder Krieg herrscht. An Installation der Satellitenanlage ist nun erst mal nicht zu denken. Die meiste Zeit verbringen wir im Keller. Am 3.Januar sind alle UN-Mitarbeiter bereits ausser Landes. In derselben Strasse wo wir wohnen, hat auch Herr STOCKER der Chef vom Internationalen Roten Kreuz (ICRC) sein Haus, dort holen wir uns Informationen. Ein paarmal gelingt es uns auch bis zum Ministerium zu kommen und nach unseren Sachen zu sehen. Unser Equipment wird dort so gut es geht im Hauptpostamt sicher gelagert. Aber auch dort hat es schon Einschläge gegeben.

Ich dachte mir: ach das ist hier nur ein kurzer Konflikt, der geht bald vorbei und harrte noch einige Tage aus. Mitte Januar ist die Lage unverändert, der indonesische Botschafter und ich werden als letzte Ausländer am 18.Jan.1995 vom ICRC ausser Landes geflogen.

Krieg hin oder her, jetzt wird aufgebaut

Der Krieg in Kabul hielt Mitte des Jahres 95 noch an, dennoch flog ich im Juni wieder nach Peshawar, um von dort auf dem Landweg nach Kabul zu kommen. Visa bekommt man in der afghanischen und der pakistanischen Botschaft in Bonn.

Kurz hinter Peshawar gibt es einen Ort indem man jede Waffe kaufen kann. Dort werden auf offener Strasse DROGEN gehandelt. Eine gesetzlose Einkaufsmeile habe ich sie genannt. Von Peshawar geht es über den Khyberpass zur Grenzstelle Torkham. Bis dahin wird man von bewaffneten pakistanischen "GUARDS" begleitet. Pakistanische Soldaten bewachen die gesamte Strecke bis Torkham. Die Pakistanis dürfen NUR die Strasse kontrollieren, nicht das Land rechts und links. Das Land von Peshawar bis Torkham gehört zwar zu Pakistan, ist aber besiedelt von Afghanen. Es befindet sich in Händen von Stämmen, die kriegerisch veranlagt sind. Hier gilt nur Stammesrecht. Als die Engländer die Grenzen von Pakistan festlegten, (Pakistan wurde von Indien abgetrennt) wurde von Mr. DURAND die Grenze zu Afghanistan willkürlich festgelegt. Die Afghanen wurden damals nicht gefragt. Ursprünglich endete das afghanische Gebiet noch weiter östlich von Peshawar. Diese sogenannte DURAND-Linie wird niemals von den Afghanen anerkannt. Es ist sehr wahrscheinlich das es um dieses Gebiet irgendwann wieder Auseinandersetzungen geben wird (wenn die Afghanen Zeit dazu haben.. wurde mir immer wieder versichert). Die letzten 100mtr vor der Grenze muss man sein Gepäck tragen, es empfiehlt sich nicht sein Gepäck herumstehenden HELFERN zu geben, die gerne damit im Gewühle verschwinden. Im Passport-Office bekommt man dann seinen Ausreise-Stempel. Danach wird man noch von pakistanischen Soldaten/Zoll befragt und muss u.U. sein Gepäck vorzeigen ob nicht doch verbotene Artikel ausgeführt werden. Da dort sehr viele Afghanen die Grenze überschreiten ist dort ein unglaubliches Gedränge vor dem Grenztor, sodass die pakistanischen Soldaten da sehr gerne einen Stock zur Hilfe nehmen um ihren Anweisungen Nachdruck zu verleihen. Auf der afghanischen Seite der Grenze ist ein riesiges Lager von Zelten , Bruchbuden, fliegenden Händlern und Taxis. Keines der dort stehenden Taxis würde in Deutschland eine KFZ Zulassung bekommen. Am besten man nimmt ein gelbes Taxi, die sind aus Kabul und wollen gern zurück nach Hause. 50 US$ war damals ein fairer Preis für die Fahrt bis Kabul, in diesem Preis sind sogenannte WEGEGEBÜHREN/ WEGEZOLL enthalten, die von Strassenposten vom Taxifahrer verlangt werden. Die Kosten für das Essen des Taxifahrers übernimmt der Fahrgast. Allgemein üblich ist es in Afghanistan dass der HERR immer die Kosten für das Essen der DIENER übernimmt. Von der Grenzstelle Torkham bis nach Jellalabad gibt es noch eine befahrbare Strasse, zwischen Jelallabad und Kabul gab es nur eine Trasse, die Asphaltstrasse wurde fast komplett durch Kriegseinwirkung zerstört. Immer wieder sah man zerschossene Panzer und Kriegsmaterial am Strassenrand oder in den Schluchten.

Die kriegerischen Handlungen in Kabul liefen nach einem bestimmten Stundenplan ab.. man konnte in den Pausenzeiten seine Besorgungen machen. Ich fand das recht praktisch. Natürlich konnte man sich darauf nicht hundertprozentig verlassen aber man wusste genau wann man nicht auf die Strasse gehen und sich in Sicherheit bringen sollte.
JUSSUF T. hatte in seinem Haus einen Kellerraum indem die Mutter MUBA, 2 halbwüchsige Mädchen, ein kleines Mädchen, der Junge, eine Bekannte und ich die Nächte verbringen mussten. Das war natürlich gar nicht schicklich, deswegen war die Bekannte als Tugendwächterin dabei und ich bekam den Platz hinterm Ofen, wo ich keinesfalls mit dem Körper eines der weiblichen Wesen in Berührung kommen konnte. Abends spielten wir gemeinsam Karten.

Bis zum Telekommunikations-Ministerium, ( MUHKHABIRAT genannt ) waren es ca 2,5 km. Es ist das höchste Gebäude in Kabul ( 8 Stockwerke ) Meist gingen wir zu Fuss und schlichen uns auf der linken Strassenseite an den Mauern der Grundstücke entlang. Beim Aussenministerium war eine kleine Mauer mit einem Metallzaun, aber immerhin eine kleine Mauer von ca 50cm. Dort habe ich mich 2 mal "ausgeruht". Dann kam noch der Park vor dem Telekommunikations Ministerium, den konnte man sicher nur in der "Grossen Pause" durchqueren.

Das Hauptpostamt ist ein Anbau des Ministeriums mit einem relativ flachem Dach. Dort wollte ich meine Antennen aufbauen. Das Dach hatte nur einen Zugang vom Treppenhaus des Ministeriums und war ein 80cm x 80cm grosses Loch, hier musste alles durch Mensch , Material und Werkzeug. An den ersten Tagen haben wir zunächst Munition und Glassplitter auf dem Dach eingesammelt. Die meisten Fenster auf der Ostseite des Ministeriums waren zerschossen,(Hauptkampflinie) daher das viele Glas und die Munition. Das Postamt war eine grosse Säulen-Halle ca. 4mtr hoch, Das Dach bestand aus verzinktem Blech welches von einer Holzkonstruktion getragen wurde. Die Satellitenschüsseln wurden an Seilen vom Dach aus von 10 Mann hochgehoben, bis zur Unterkante der mannshohen Dachbrüstung, dann wurde es problematisch, weil man nun noch die flach an der Hauswand anliegende Schüssel über die Kante hieven musste, irgendwie hat es dann doch geklappt. Die Antennen wurden im Abstand von ca 5mtr aufgebaut und aus statischen Gründen über den tragenden Pfeilern positioniert. Durch die hohe Dachbrüstung waren die Antennen von unten kaum zu sehen und daher relativ gut geschützt.

AMIRJAN wurde mir vom Planungs-Präsidenten SHARIFI zugeteilt als Mitarbeiter, wie ich erfuhr bekam Amirjan vom Sharifi die Worte: " Mach uns Afghanen keine Schande bei dem Ausländer" mit auf den Weg. AMIRJAN war immer loyal, ehrlich und fleissig. AMIRJAN war ein gelehriger Schüler, er wurde ehrfürchtig ENGINEER von den Afghanen tituliert. Ein weiterer älterer Engineer RABBANI wurde mir vom Ministerium zugewiesen, diesen brauchte ich aber nicht bezahlen, was mich nicht hinderte ihm Backschisch zu geben. Der Engineer Rabbani wandelte seine Kleidung und seinen Namen nachdem die Taliban im Sept 96 in Kabul einzogen.

Der Technikraum war ein sehr geschützter Raum, den danebenliegenden Raum bekamen wir später als BÜRO und Aufenthaltsraum dazu. Der Durchgang zum angrenzenden Treppenhaus wurde zugenagelt, sodass niemand unbefugt zu uns durchdringen konnte.
Eine der schwierigsten Aufgaben ist es die Antenne zum Satelliten auszurichten. Hierzu muss man wissen wo sich der Satellit am Himmel befindet und wo man selber sich auf der Erdkugel befindet. Aus diesen Werten kann man dann den Richtungswinkel AZIMUTH und den Höhenwinkel/ELEVATION berechnen, vorher muss man genau NORD und SÜD ermitteln. Mit Kompass und Winkelmesser wird dann die Antenne eingerichtet Mit einem sehr teurem elektronischen Messgerät (Spectrum Analyser) kann man dann feststellen ob man den Satelliten im "AUGE" hat und kann dann Feineinstellungen vornehmen. Sieht man den Satelliten nicht, bricht einem der Schweiss aus, denn irgendwas ist falsch berechnet.

Nach ca. 4 Wochen Aufbauarbeit war die gesamte Anlage fertig und konnte zur EINMESSUNG das erste Mal hochgefahren werden. Zur Einmessung ruft man das Operations-Center an, welches für den entsprechenden Satelliten zuständig ist. Doch wie ruft man da an wenn es kein Telefon gibt? Ganz einfach, dazu hat man ein kleines handliches Satellitentelefon, es kostete damals 12000 DM. Das zuständige Operations-Center war in SINGAPUR, dort musste ich nun anrufen, auf dem Dach stehend, neben der grossen Antenne, das kleine Satellitentelefon auf der Dachbrüstung, den Hörer in der einen Hand und einen grossen Schraubenschlüssel in der anderen Hand. Der Operator schaut zunächst ob er meine Antenne erkennt und ob sie im richtigen Frequenzbereich arbeitet, dann gibt er mir Anweisungen die Antenne zu verstellen um sie dann auf den optimalen Punkt einzustellen. Danach werden noch einige Tests durchgeführt auf Qualität der Verbindung. Wenn alles ok ist, bekommt man die Genehmigung seine Anlage in Betrieb zu nehmen. Wem mein erstes Telefonat galt kann sich jeder selbst denken. Über RADIO Kabul wurde verbreitet, dass ab sofort jeder Afghane vom Hauptpostamt aus wieder mit dem Ausland telefonieren konnte. Obwohl es noch gefährlich war, kamen am nächsten Tag viele zum telefonieren.

Der Telefonkunde gab am Schalter seinen Auftrag auf; der Auftrag wurde schriftlich ausgefüllt mit Name , Telefonnummer, Gesprächsdauer in Minuten ( 3 min war Minimum)und Preis. Es musste im Voraus bezahlt werden. Der Auftrag wurde vom Operator im Technikraum bearbeitet, wenn die Telefonleitung stand, wurde dem Kunden eine von acht Telefonzellen zugewiesen in der er ungestört sprechen konnte. Herz-zerreissende Szenen durfte ich erleben, wenn Verwandte nach vielen Jahren ihre Angehörigen im Ausland wiederfanden und mit ihnen sprechen konnten. Da wusste ich, dass mein persönlicher Einsatz sich gelohnt hatte.

Eine Besonderheit bei den Telefonaten viel mir auf: Die Afghanen haben eine lange Begrüssungs-Einleitung beim Gespräch. z.B. Wie geht es dir, wie geht es mir , was macht die Familie , heute ist ein schöner Tag; das Ganze wiederholt sich dann auch mehrmals, und wenn das beide Telefonteilnehmer machen kann es schon passieren das dann 3 Minuten um sind und noch kein weiteres Thema besprochen wurde. Natürlich gab es dann Beschwerden seitens der Telefonkunden die Zeit wäre zu kurz und die 3 Minuten noch nicht um. In den ersten Tagen unterbrach der Operateur manuell das Gespräch nach den vorher festgelegten und bezahlten Telefonminuten, Das Verfahren haben wir dann automatisiert, der Operateur gab die Minuten auf dem Bildschirm ein und der Computer schaltete dann automatisch ab, der Operateur gab aber dem Kunden 20 sec vor Ablauf eine Warnung. Nun konnte der Operateur dem Computer die Schuld geben wenn der Kunde unzufrieden war.

Der Deutsche Klub in Kabul 1994-2001

Zu Beginn meiner Tätigkeit in Kabul wohnte ich im DEUTSCHEN KLUB . Der Klub war damals verwaist, niemand kümmerte sich darum. Die Klubanlage bestand aus 2 Tennisplätzen, einem Swimmingpool, einem Gästehaus, einer Bar, einem Klubraum der auch als Restaurant genutzt wurde, einem Billardsalon, einer Theaterbühne und einer Kegelbahn im Keller.
Gerüchteweise kam mir zu Ohren, das die Alkoholbestände des Klubs in einer Nacht und Nebel -Aktion von "UNBEKANNTEN" vor langer Zeit in den Keller der Deutschen Botschaft verbracht wurden. Auf dezente Nachfrage (Jahre später)wurde das dann von Frau S. entrüstet abgewiesen. Wäre dies so wahr gewesen, hätte ich ja als Geschäftsführer des Klubs Anrecht auf Herausgabe von Alkoholika gehabt.. ein undenkbarer Vorgang.

Das Gästehaus umfasste ca. 5 Zimmer und befand sich im hinteren Gartenteil. Betrieben wurde das Anwesen von Manager ARIF und EMAMUDDIN. Arif sprach fliessend deutsch und englisch. Emamuddin war ein ehemaliger Lehrer und sprach verständliches deutsch und französisch. Madjib der Koch konnte nur DARI. Heute arbeitet ARIF für die Bundeswehr und Emamuddin in der deutschen Botschaft.
Als ich das erste Mal im Klub erschien, war ich überrascht dass alles dort unversehrt war. Obwohl jahrelang kaum Gäste dort verkehrten und die Belegschaft kein Gehalt bezog, hatte sie sich um den Klub gekümmert und ihn gepflegt. Es war ihnen eine HERZENSANGELEGENHEIT für die DEUTSCHEN zu arbeiten und alles für eine bessere Zukunft zu erhalten. Sie wünschten sich, ich möge mich für den Klub verwenden und ernannten mich von dem Tage an zum "Präsidenten" des deutschen Klubs.

Das Auswärtige Amt in Bonn, hat mich dann später als Geschäftsführer des Klubs eingesetzt, damit es in Kabul keine Komplikationen gab und ich z.B. über die Miete für den Klub mit dem afghanischen Aussenministerium verhandeln konnte. Die Deutsche BOTSCHAFT war damals verwaist. Nachdem ich dann die Satzung des Klubs studierte, stellte sich heraus, das der "Deutsche Verein" -so firmierte der Klub offiziell- noch lebende Mitglieder hatte und ein KONTO besass. Bei Nachfragen zu Details bekam ich im AA keine Antworten. Das Thema war tabu, die Vergangenheit hätte mich nicht zu interessieren wurde mir bedeutet. Die Mitglieder des "Deutschen Vereins-Kabul" waren vorwiegend Angehörige der Deutschen Botschaft als diese noch aktiv war. Das AA wurde von mir laufend über die finanzielle Situation des Klubs unterrichtet, dazu wurde erstmals von mir in Kabul eine Buchhaltung eingeführt, welche das "beschummeln" etwas einschränkte.

Gerne kümmerte ich mich von Anfang an um die Belange des Deutschen Klubs, da ich dort auch die erste Zeit selbst im Gästehaus wohnte. Als erstes spendete ich Bettwäsche und Brauseköpfe für die Duschen. Die kaufte ich in Deutschland ein und nahm sie bei einer meiner Reisen mit nach Kabul. Ebenso verbrachte ich etliche Solarpanel -Batterien und Sparlampen dorthin. Die Solarartikel verschwanden nach kurzer Zeit.. um nicht zu sagen die Artikel suchten sich neue Eigentümer.
Mein Ansprechpartner im afghanischen Aussenministerium für den Klub war Herr AMIN , ein Diplomat alter Schule der etwas deutsch konnte. Ältere und gebildete Afghanen hatten in der Regel die AMANI-Schule in Kabul besucht, eine deutsche Schule. OBERREALSCHULE. Die Zusammenarbeit mit dem Diplomaten war sehr angenehm. Der deutsche Klub erfreute sich immer grösserer Beliebtheit. Die NGO´s und das Internationale Rote Kreuz (ICRC) waren Stammgäste. Viele Ausländer kamen zum Tennisspielen. In der WELTPRESSE sprach sich auch herum, dass man dort ungestört wohnen konnte. Natürlich blieb den Afghanen nicht verborgen, dass der KLUB von Ausländern stark frequentiert wurde. Zwangsläufig wurde der Mietpreis für das Gelände jedes Jahr erhöht.

Die Blütezeit des KLUBS wurde von den TALIBAN abrupt beendet. Es begann damit, dass die Weltpresse - kurz nach der Machtübernahme der Taliban- sich im Deutschen Klub aufhielt. Arif erzählte mir später das ca. 60 Personen sich dort aufhielten. Man schlief mit Schlafsäcken auf und unter dem Billardtisch. In allen Räumen und Ecken. Das Hotel INTERKONTINENTAL hatte so gut wie keine Gäste. Dies war nun ein Ärgernis der Taliban-Führung, denn diese wollten natürlich an den Ausländern a) verdienen und b) diese unter Aufsicht haben. Mullah OMAR soll daraufhin Anweisung gegeben haben den Klub komplett zu schliessen. Mir wurde eröffnet dass ab sofort keine Ausländer mehr im Klub wohnen dürften. Die Miete wurde dramatisch erhöht. Finanziell war der Klub damit ruiniert. Meine Interventionen führten wenigstens dazu, dass deutsche Staatsangehörige sehr wohl im Klub wohnen dürften, Einschränkung: Keine Journalisten. Die Miete wurde etwas reduziert und konnte mit den erwirtschafteten Klubeinnahmen noch ca. 1 Jahr weiterbezahlt werden.
Bei meinem nächsten Besuch in Kabul befand sich direkt am Swimmingpool eine 2mtr hohe Mauer die den Garten mit dem Gästehaus vom vorderen Areal trennte. Mir wurde eröffnet, dass das Gelände verkauft sei. In Anbetracht des Ansehens der DEUTSCHEN in Afghanistan schon eine ungeheuerliche Brüskierung von Seiten des afghanischem Aussenministerium. Der Protokollchef Dr. PAKTISS und Herr AMIN bekundeten mir beide ihr ausserordentliches Bedauern, aber man wäre da machtlos.
Eine erfolgreiche Fortführung des Klubs war unter diesen Umständen nicht möglich. Als dann noch Gerüchte aufkamen es könnte finanzielle Unregelmässigkeiten im Klub gegeben haben, warf ich das Handtuch und bat unser AA mich von der Tätigkeit als Geschäftsführer des Klubs zu entbinden. Ich hatte das Gefühl, das AA war froh darüber. Klug war die damalige Entscheidung weder von mir noch vom deutschen AA, denn es signalisierte der Taliban -Führung die Deutschen geben den Klub auf.

Der Klub bekam dann noch einmal Aufwind nach dem 9-11-2001 als die ersten deutschen Journalisten, BKA-Leute, Diplomaten, Politiker, Bundeswehr und andere Dienste dort sich trafen. Ein ehemaliges Vereinsmitglied des deutschen Klubs Herr W. -in diplomatischer Mission- er war früher bereits schon mal in der Botschaft beschäftigt, hatte erneut Ambitionen auf die "Präsidentschaft" des Deutschen Klubs. Später wurde dann auch noch das restliche Klub-Areal verkauft und der neue Besitzer baute dort ein Hotel und hoffte wohl vom RUF der Deutschen zu partizipieren. Ich habe das Gelände nie wieder betreten.

Ich organisierte dann nahe der Deutschen Botschaft in Wazir Akbar Khan , Strasse No 5 ein neues Gästehaus. In derselben Strasse wohnte später der auch der afghanische König. Das Haus gehörte Herrn AIMAQ der in der Nähe von Hamburg wohnte. Ein junger Amerikaner einer Hilfsorganisation bewohnte sein Haus in Kabul und zahlte angeblich eine Miete an einen Bekannten von AIMAQ. Die Mieteinnahmen kamen jedenfalls nicht Herrn Aimaq zu gute. Herr Aimaq bat mich daher dass ich mich um das Haus kümmern sollte. Dazu musste ich zunächst dem Amerikaner kündigen, was etwas Wirbel verursachte, aber letztendlich bekam Herr AIMAQ wieder über sein Haus die Verfügungsgewalt. ARIF übernahm dort wieder das Management. Presse, Politiker und Dienste hatten nun wieder ein DEUTSCHES HAUS in Kabul. In einem anderen Stadtteil eröffnete ein Deutscher (ehemaliger Soldat) ein INTERNATIONALES RESTAURANT. Dies war dann sehr bald die erste Adresse für alle Ausländer. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren das hier ein "Dienst" seine Finger mit im Spiel hatte.

Geldprobleme mit Jussuf T.

Nachdem die Anlage in Kabul nun lief, sollte Jussuf sich um den Betrieb kümmern, er war schliesslich Afghane und konnte mit seinen Landsleuten besser umgehen als ich. Da er auch einen grossen Anteil am Zustandekommen des Vertrages hatte, nahm ich Ihn als Geschäftsführer mit in meine deutsche Firma auf. Das sollte sich als schwerer Fehler erweisen. Jussuf hatte kurz vorher in Hamburg ein Gold- und Schmuckladen etabliert in bester Citylage. Da er nun in Kabul weilte, kümmerten sich seine beiden Töchter um den Laden. Er bat darum, das auch meine Frau sich bei dem Laden mit engagiert. Das war nun etwas schwierig, weil sie ja auch noch das eigene Büro betreute; aber das liess sich immerhin regeln wenn ich in Hamburg war. Der Laden hatte erkennbar wenig Umsatz und die Töchter waren auch nicht immer wie geplant im Geschäft. Jussuf stellte daraufhin eine seiner Töchter in meiner Fa. ein und gab ihr ein Gehalt. Ich war perplex. Dass die Einnahmen das gar nicht hergaben interessiert ihn nicht. Zu der Zeit lief unser Geschäft mit Computern leidlich, aber auch gerade noch kostendeckend. Im September stand die Satellitenrechnung ins Haus, überschlägig ermittelte ich einen Betrag von 50-60 Tausend DM der fällig sein würde. Ich drängte Jussuf das in Kabul eingenommene Geld umgehend zur Verfügung zu stellen und fiel aus allen Wolken als er mir eröffnete "es wäre kein Geld da und er wüsste auch nicht wo es sei". Prompt schickte ich ihm eine Abberufung als Geschäftsführer und wechselte die Schlösser aus. Bei seinem nächsten Besuch in Hamburg, verschaffte er sich mit rechtlichen Mitteln wieder Zutritt zum Büro. Die Wochen die dann folgten waren geprägt von Existenzangst, Tränen, Enttäuschung, Wut und Hass. Er verfolgte sein Ziel unerbittlich mich und meine Firma aus diesem Afghanistan Geschäft herauszudrängen und tat alles um die Firma zu ruinieren. Er hatte nicht einen Pfennig in das Projekt gesteckt aber für Ihn bedeutete es alles, Geld und Ansehen in Afghanistan. Der Rechtskampf mit Ihm hat dann ca. 2 Jahre gedauert bis er "erledigt" war. Mein privates Vermögen musste herhalten um die Satellitenkosten zu bezahlen. Der Verbleib der ca. 60.000 DM wurde nie geklärt, ich vermute Jussuf hat damit private Schulden bezahlt.

Sabotage

Nachdem die nächste Satelliten Rechnung ins Haus steht und von Jussuf kein Geld zu erwarten war, rufe ich den Afghanischen Botschafter in Bonn an und erkläre ihm dass ich gezwungen sei die Anlage in Kabul abzustellen weil der "afghanische Bürger" das eingenommene Geld nicht ordnungsgemäß verwendet hat. Das war an einem Montag, Donnerstag erhalte ich von den "weissen Brüdern" aus Kabul einen Anruf über deren privates Satellitentelefon, dass meine Anlage sabotiert wurde. Bei einem Ausfall von 1 oder 2 Tagen waren wir nicht besorgt , denn so ein Ausfall beruhte meist auf Stromproblemen (Generator defekt etc).
Eine glückliche Fügung war, dass am nächsten Tag ein Flug von Frankfurt nach Kabul mit Kindern stattfand, die hier in ärztlicher Behandlung waren und nun von FRIEDENSDORF INTERNATIONAL zurück nach Hause gebracht wurden. Ich setze alles daran bei diesem Flug dabei zu sein, denn Direktflüge von FFM nach KABUL gab es sonst nicht. Am Samstagmorgen sitze ich in Kabul einem General des afghanischem Geheimdienstes gegenüber, der mir versichert man werde mir helfen können. Ich inspiziere meine Anlage und muss feststellen das nur periphere Geräte wie Computer, Faxgeräte und Telefone gestohlen waren und unsachgemäss abgeschnitten waren. Der Kern der Anlage war noch vorhanden, mit Strom einem Lötkolben und einem Telefonapparat wäre ich in der Lage gewesen nach Hause zu telefonieren. Das unterliess ich aber vorläufig. Telefonieren konnte ich mit meinem privaten Koffer-Telefon. Jussuf sass derweil seelenruhig in meinem Büro in Hamburg, nachdem meine Frau ihm am folgenden Montag eröffnete die Anlage sei sabotiert und ich wäre schon in Kabul.
Ein paar Tage später kam ein Lastwagen mit meinen gestohlenen Geräten vor das Hauptpostamt vorgefahren. Der afg. Geheimdienst hatte ganze Arbeit geleistet. Die Sachen waren stark ramponiert und verdreckt aber fast vollständig. Daraufhin hatte ich ca. 14 Tage lang zu tun um alles zu reparieren. Ich teilte dem Telekommunikations-Minister mit, dass Herr Jussuf T. keine Befugnisse in meiner deutschen Firma mehr hat und demzufolge auch in Kabul nichts zu "melden" hat und ich der alleinige Chef sei. Rechtlich konnte das Ministerium dies zunächst nicht nachvollziehen und tat sich daher etwas schwer zu akzeptieren dass nunmehr ein Ausländer die Gewalt über diese strategisch wichtige Anlage ausübte. Das Knowhow und mein sofortiger Einsatz hatte sie aber überzeugt, dass ich der RICHTIGE sei. Das Ministerium stellte dann fest, dass ich ja derjenige gewesen wäre der ALLEIN den Vertrag unterschrieben hatte und Jussuf T. nur der Übersetzer war. Damit konnte Jussuf T. in Kabul nichts mehr ausrichten. Ich fuhr die Anlage wieder an und alles lief wie am Schnürchen.

ASYL in der türkischen Botschaft

Jussuf T. hatte mir mal in den Kriegstagen die wir gemeinsam im Keller seines Hauses verbrachten versichert ich bräuchte mir keine Sorgen machen für den Fall dass die Anlage mal untergeht, er hätte ja noch das Haus und er würde dann seinen Anteil den er mir schuldete damit begleichen. Einen Moment hatte ich daran geglaubt, als ich nämlich bemerkte das seine Schwester mit den 4 Kindern nicht mehr im Haus wohnte. Jussuf T. hatte sie kurzer Hand rausgeworfen und nach Pakistan geschickt mit der Begründung dort wären sie sicherer. (so wurde es mir berichtet) Als Jussuf dann in Kabul erschien lud er mich wieder zu sich nach Haus ein um alles zu besprechen und ich könne ja in seinem Haus auch weiterhin wohnen, von Geld sprach er aber nie. Er kochte dann auch die nächsten paar Tage für uns das Essen. Das Essen war undefinierbar, wir aßen im Dunkeln, was sehr ungewöhnlich ist. Seit dieser Zeit ist es mir unmöglich im Halbdunkeln etwas zu essen, wie diese Phobie heisst muss ich noch abklären. Ausserdem war er herrisch, unerträglich und uneinsichtig. Ich bekam nun das erste mal in Afghanistan ANGST um mein Leben. Am 4.Tag nahm ich heimlich meine Tasche , nahm die paar hundert Dollars - die unterm Teppich lagen- an mich und machte mich auf den Weg zur türkischen Botschaft die kaum 1Km entfernt war.

HILMI TÜRK hiess der Caretaker der türkischen Botschaft. Er war häufig zum telefonieren bei meiner Anlage und ich hatte ihn bereits öfter in der Botschaft besucht. Das Botschaftsgelände ist das schönste Anwesen in Kabul, bewaldet mit Swimmingpool und sehr gepflegten Blumenrabatten. Die Residenz des Botschafters hatte einige Treffer abbekommen. Das Wohnhaus der Botschaftsangestellten hatte im Dach ein ca. 3mtr grosses Loch. Hilmi war der einzige türkische Bewohner der Botschaft. Die Gärtner und Wachen waren damals ausnahmslos angestellte Afghanen. Hilmi war gelernter KOCH und das er das Handwerk beherrschte konnte ich bereits nach seiner ersten Einladung feststellen.
Nun stand ich also vor der türkischen Botschaft und verlangte nach HILMI, er kam und ich sagte ihm dass ich bei Ihm um Asyl nachsuche. Hilmi war wie vom Donner getroffen. Er meinte das könne er nicht entscheiden, aber da es schon spät am Abend sei, durfte ich eintreten und die Nacht dort verbringen. Am nächsten Tag bekam er dann telefonisch das OK vom türkischen Aussenministerium dass ich bis auf weiteres in der Botschaft wohnen dürfte. Morgens machte ich einen Waldlauf, nachmittags gingen wir auch schon mal in den Swimmingpool. Der Beschuss Kabuls von Hekmatyar und Dostum fand unregelmäßig statt. Es gab manchmal tagelang keinen einzigen Schuss und dann wieder stundenlang Dauerbeschuss. Auch in der türkischen Botschaft gab es Einschläge, zum Glück relativ selten. Bei sehr heftigem Beschuss übernachteten wir im BUNKER. Im Konsulargebäude befand sich im Keller ein perfekt ausgestatteter BUNKER. Es war eine wirklich angenehme Zeit mit HILMI obwohl er kein Deutsch und kein Englisch konnte, ich konnte kein DARI und kein Türkisch aber wir haben uns bestens unterhalten und amüsiert. Manchmal hatten wir auch einen im TEE.

Aktenkoffer-Klau in Jellalabad

Nachdem mein ehemaliger Kompagnon Jussuf T. sich nicht mehr an den Einnahmen des Telefongeschäftes bereichern konnte, suchte ich mir einen neuen Afghanen der dies noch besser konnte. Herr H. bot sich da an, er sprach immerhin gut Deutsch, wenn auch mit Schweizer Dialekt. Nach dem Sabotage-Akt der Anlage lud er mich zu sich nach Hause ein und ich durfte in einem wunderbarem alten Bett seiner Grosseltern schlafen, mit Matratze und Bettdecke. Im Bücherschrank des Hauses fand ich das Buch "Der Untergang der westlichen Zivilisation ". Damals (1997) fand ich die Theorien und Ausblicke in die Zukunft mehr als gewagt wenn nicht sogar abstrus, doch heute (2011) erkenne ich dass die westliche Zivilisation sich bereits auf diesem Weg in den Untergang befindet. Esmarai H. sollte nun meinen Engineer AMIRJAN im Telefongeschäft unterstützen. Dazu stellte er dann erst einmal seine Verwandten mit ein. Schliesslich brauchte man einen Fahrer für den Mercedes-Benz ("meinen" aus der österreichischen Botschaft) und einen Laufburschen. Sein Schwager (der Fahrer) roch hin und wieder nach Alkohol, weiss der Kuckuck woher er den hatte. Alkoholkontrollen im Strassenverkehr sind in Afghanistan unbekannt, wozu auch, eigentlich gibts dort keinen Alkohol. Aquila und Schegeba die beiden Frauen machten aber weiterhin die Zettel- und Verwaltungsarbeit.

Das Geschäftsproblem bestand nun darin die Einnahmen nach Deutschland zu transferieren um damit die Satellitengebühren und die Kosten der Mutterfirma zu bezahlen. Bankenverkehr gab es nicht. Damit die beiden Banken "DA Afghan Bank" und " Banke Millie" überhaupt mit der Welt korrespondieren konnten verkaufte ich Ihnen je ein Satellitentelefon mit Faxgerät. Bis zum Jahr 2002 wurden diese Telefone von mir betreut. Wie transferiert man nun Geld von Afghanistan nach Deutschland ohne Banken? Zunächst verrechnete ich mit deutschen Hilfsorganisation, diese hatten das umgekehrte Problem, nämlich wie bekommen sie Geld sicher nach Afghanistan. Ich gab Ihnen das Geld in Kabul und sie überwiesen es auf unser Konto in Deutschland. Ein anderer Weg, aber nicht so sicher ist über den Geldbasar in Kabul. Die Geldhändler wickeln Geldgeschäfte vorwiegend über Dubaier Konten und afghanischen Händlern/ Vertrauensleuten ab, dafür kassieren sie Gebühren. Dieses Prinzip ist in vielen asiatischen und afrikanischen Ländern normal und legal. Der dritte Weg Geld zu transferieren ist der gefährlichste wie sich gleich herausstellen wird, nämlich Bargeld zu transportieren. Solange der Geldbedarf auf beiden Seiten ausgeglichen ist, ist die Verrechnungsmethode am Besten. Wenn auf beiden Seiten die Verrechnung durch eine Firma oder Person gemacht wird ist das System sicher, perfekt und transparent. Doch dazu kommen wir noch.

Auf einer meiner ersten Rückreisen -nach der Sabotage- von Kabul nach Hause, nahm ich 20.000US$ mit zurück. 4.000US$ und die Reisepapiere wie immer in der Brusttasche am Körper. 16.000US$ befanden sich in meinem Aktenkoffer. Esmarai H. organisierte für mich ein Mini-Bus mit Fahrer der mich und zwei afghanische Mitfahrer bis nach Jellalabad bringen sollte, von dort sollte ich dann allein weiter nach Peshawar fahren. In Jellalabad stiegen dann die beiden anderen Mitfahrer an einem Geschäft aus, begrüssten dort einen Bekannten und luden mich noch auf ein Erfrischungsdrink ein. Den Koffer hatte ich immer in der Hand. Der Fahrer fuhr mich dann bis an den Rand von Jellalabad wo die Taxis standen die nach Torkham fuhren, also bis zur Grenze. Wir suchten ein Taxi aus und ich stellte meinen Aktenkoffer auf den Rücksitz des Wagens und stellte mich neben die Wagentür. Nun noch mein sonstiges Gepäck verladen und es konnte losgehen. Ein paar Sekunden hatte ich den Koffer nicht im Auge und schon war er weg. Mindestens 30 Leute und Kinder standen drumherum aber keiner hatte etwas gesehen. Das ganze passiert vor einem Backshop. Der Besitzer des Ladens war mir behilflich die Police herbeizurufen, dazu schickte er einen Jungen los. Nach ca. 10 min kam ein Jeep mit Police. Alle redeten wild gestikulierend durcheinander, ich verstand überhaupt nichts. Die Police verhaftete ca. 10 Leute darunter den Taxifahrer der mich bis hierher gefahren hatte, umstehende , den Bäcker und den Fahrer aus dessen Auto mein Koffer verschwunden war.

Mich fuhr man zum Haus des Gouverneurs Haji QUADIR. Man platziert mich auf die letzte Bank unter einem Zeltdach. Vor mir waren noch 4 Bankreihen besetzt mit Afghanen die alle ein Anliegen hatten. Haji Quadir sass erhoben auf einem Podest unter einem Baldachin vor dem Zelt und hielt dort seine Audienz ab. Die Situation war fast surreal und erinnerte mich an Filme wie "ALI BABA" wo der Gross-Mogul ebenso thronte und "hof hielt"; hier fehlten nur die beiden Neger die dem Herrscher mit Palmwedel Luft zufächelten. Als ich an der Reihe war, war er bereits bestens informiert und versicherte mir, dass mein Koffer nebst Inhalt auf jeden Fall gefunden wird, ich solle mir keine Sorgen machen, morgen würde ich ihn zurückerhalten. Huldvoll winkte er mir zu und ich durfte mich entfernen.
Danach ging es noch einmal zur Policestation. Der Aktenkoffer war von der Marke Samsonite und hellbraun, also sehr auffällig. Um die Auffindung etwas zu beschleunigen versprach ich eine beachtliche Summe als Finderlohn. Ich hatte allerdings wenig Hoffnung den Koffer wiederzusehen und wollte nur noch weg. Man gab mir einen Brief an ABDUL HAQ in Peshawar mit, dort sollte ich mich melden es sei der Bruder von Haji QUADIR.

Eine Übernachtungsadresse hatte ich bereits in Peshawar bei einem niederländischen Arzt. Dort fuhr ich zuerst hin. In dieser Nacht sollten noch die Telefondrähte zwischen Peshawar und Jellalabad heiss laufen aber davon ahnte ich vor erst nichts. Am nächsten Morgen bekam ich die ernst zu nehmende Warnung Pakistan nicht zu verlassen bevor der Taxifahrer nicht entlassen sei, denn der wäre unschuldig. Irgendein CLAN-Chef, zu dem der Taxifahrer gehörte, bedrohte mich also und dieser Clan-Chef hat offensichtlich auch Macht in Peshawar das war schon etwas beunruhigend, denn schliesslich war ich das DIEBSTAHLS-OPFER. Ich besuche daraufhin ABDUL HAQ der mich erst mal beruhigte, ihm war aber anzumerken das die Lage angespannt war. Was sich hinter den Kulissen abspielte war mir nicht klar, es ging hier aber wohl um Machtkämpfe.
(Abdul Haq kam 2002 ums Leben als er in Afghanistan von den Taliban mit einem Satellitentelefon aufgebracht wurde und der Spionage für die Amerikaner verdächtigt wurde, nein er hatte kein Telefon von mir).
Damit die Geschichte nicht weiter eskaliert fahre ich am nächsten Tag zurück nach Jellalabad und gehe erneut zu Haji Quadir dem Gouverneur. Bei dieser Audienz erkläre ich, dass ich den Taxifahrer nicht verdächtige den Koffer gestohlen zu haben, daher möge man ihn freilassen. Haji Quadir daraufhin: Die Angelegenheit nimmt ihren rechtlichen Lauf und da hätte ich keinen Einfluss mehr drauf. Recht hat er, aber ich hab es jedenfalls versucht. Nun fahre ich etwas entspannter zurück nach Peshawar . Am Abend gehe ich nochmals zu Abdul Haq und dort erwartet mich eine Überraschung (nein nicht mein Koffer). Der Afghane der mich bedroht hatte ist da und entschuldigt sich halbherzig für seine Drohung, ich nehme diese jedoch ausdrücklich an. Ein über ihn stehender Afghane muss ihm gut zugeredet haben. Nun mache ich mich erleichtert (um 16.000US$) auf den Weg nach Hause.

Jahre später erscheint ein afghanischer Rechtsanwalt mit seinem Mandanten in meinem Büro in Kabul und fordert von mir eine Entschädigung für seinen Mandanten. Es war der Taxifahrer. Er wurde damals gefoltert, und litt gesundheitlich unter den Folgen. Details möchte ich hier nicht beschreiben. Natürlich tat er mir leid, selbst wenn er der Täter gewesen wäre, aber ich war daran nicht schuld. Ein ungutes Gefühl beschlich mich doch, was ist wenn er seine Rache an mir auslässt? Zum Kofferdiebstahl habe ich natürlich meine eigene Theorie, die auch der aufmerksame Leser erahnen kann.

Besprechung mit Aussen-Justiz- Finanzministerium und DA Afghan Bank

Die Geschichte mit dem gestohlenen Koffer und den Dollars, machte die afghanischen Behörden erst auf ein finanztechnisches Problem aufmerksam, nämlich den Abfluss der Devisen-Dollars aus Kabul. Ich sammelte ja unentwegt Dollars ein und führte diese dann aus, das war zwar nicht verboten aber nicht gern gesehen. Bei meinem nächsten Aufenthalt wurde ich deshalb gebeten an einer Sitzung teilzunehmen die sich mit dem Thema befasste. Alle Mitglieder waren mir wohlgesonnen. Zwei der Regierungsmitglieder waren in traditioneller afghanischer Kleidung (sehr chic und würdevoll) und zwei in Anzügen. Einer gab mir seine Visitenkarte: Dr. TARZI Regierungsberater (Studium in USA). Ihn besuchte ich in den folgenden Jahren immer mal privat.

Es wurden nun verschiedenen Szenarien durchdacht, wie Ausfuhrverbot, Sicherheitsleistungen, Hilfsfonds etc. Mir schwebte natürlich ein reiner Bankentransfer vor, denn es gab in Kabul und Hamburg eine Banke Millie, in Hamburg sogar in bester Lage am Jungfernstieg. Diese Bank war aber scheinbar keine richtige Bank nach deutschem Recht und die dort arbeitenden waren anscheinend auch nicht loyal gegenüber der RABBANI-Regierung, deshalb war der Weg nicht praktikabel und daraus eine richtige Bank zu machen war nicht erwünscht oder zu teuer. Ich erzählte dann dass viele Afghanen die mit ihren im Ausland lebenden Verwandten telefonierten diese um finanzielle Hilfe baten, diese Verwandten aber eben keine Möglichkeit hatten Geld per Bank zu überweisen, weil es a) keinen regulären Bankenverkehr mit Afghanistan gab und b) weil der Empfänger auch kein KONTO hatte. Das war nun DIE IDEE. Devisen ins Land zu holen und damit noch humanitäre Hilfe zu leisten. Ob ich das nicht arrangieren könnte? Ich sah darin kein Problem.

Die Bankleute wollten natürlich die Verteilung des Geldes in Kabul übernehmen, das fand ich nun wiederum nicht gut, denn dann hätte ich eine Verantwortung gegenüber dem Ein-Zahler gehabt aber keine Kontrolle mehr über den weiteren Verlauf des Geldes. Wenn ich das Geld auf der einen Seite annehme muss ich auch auf der anderen Seite das Geld seiner Bestimmung zuführen. Dazu ist auf beiden Seiten eine überprüfbare Buchhaltung erforderlich. (vorsichtiges Basta)
Das Finanzministerium wollte dann noch Steuern auf die ins Land einfliessenden Gelder, dieses Ansinnen wurde von den anderen Sitzungsmitgliedern abgelehnt, denn es ging vorrangig um den Erhalt der Devisen und einer für mich praktikablen Verrechnung. Ich bekam den SEGEN der Regierungskommission so zu verfahren.

Von da ab nahmen wir Geld von Afghanen in Deutschland an um es den bedürftigen Familien in Kabul auszuzahlen. Dazu wurden im Büro in Deutschland Quittungen ausgestellt, eine Überweisungsanordnung nach Kabul gefaxt, der Empfänger wurde in unser Büro im Hauptpostamt Kabul bestellt und musste dort den Empfang quittieren, diese Empfangsquittung wurde nach Deutschland zurückgefaxt und dem Ein-Zahler zurückgegeben.
Ein weiterer Vorteil ergab sich für den Telefonkunden in Kabul, dass er nicht mehr mit Dollar bezahlen musste sondern er konnte auch mit AFGHANI oder mit PAKISTANI bezahlen. Die Umrechnung zum Dollar erfolgte nach dem täglich festgestellten Kurs des Geldbasars in Kabul. Ebenso wurde auch die Auszahlung in Afghani vorgenommen, hierzu wurde der Umrechnungskurs des Tages der Einzahlung genommen, um jegliche Diskussionen wie "heute ist der Kurs aber höher" zu verhindern.

Zunächst konnten wir natürlich nur so viel auszahlen wie wir in Kabul Einnahmen hatten. Aufgrund der Zuverlässigkeit unserer Arbeit (sprich deutscher Gründlichkeit) und dem grossen Vertrauen welches wir von den Afghanen deutschlandweit erhielten, waren wir irgendwann gezwungen mehr Geld nach Afghanistan hin zu schaffen als wir dort an Einnahmen hatten, dazu an anderer Stelle mehr. Um nicht in den Verdacht von illegalen Geldgeschäften zu geraten, haben war die Höchstsumme von Überweisungen auf DM 5000 beschränkt. Im Einzelfall musste der afghanische Einzahler das nachvollziehbar begründen wofür die Summe benötigt wurde. In der Regel wurden Hochzeiten mit solchen Summen unterstützt. Zur Einführung des EUROS wurden die deutschen Gesetze 1998 zur Ausführung von Devisen geändert, so dass hier ein Konflikt entstand diese humanitäre Hilfe fortzusetzen.

Die Pressekonferenz und ihre Folgen (Datum ist noch zu verifizieren 1999 oder 2000?)

Eines Tages bekam ich eine Einladung vom Afg. Aussenministerium zu einer Pressekonferenz. Dies war sehr ungewöhnlich, denn die TALIBAN führten ansonsten keine Pressekonferenzen durch. Ausländische Presse war zu der Zeit nicht in Kabul, also musste man ein paar Ausländer die sich in Kabul befanden dazu einladen. Als ich dort ankam, durchfuhr mich ein Schrecken, denn dort am Rednerpult sassen 6 Afghanen, 4 davon sahen furchterregend aus. Bärtige Männer mit z.T. roten Haaren, Hände mit HENNER bemalt und finsteren Mienen. Auf der mir gegenüberliegenden Seite sassen 6 unauffällige Afghanen. Neben mir sass ein Gesandter der UNO (Franzose in Zivil), ein Italiener (Uniform mit blauem UNO Käppi)und ein Mitarbeiter des Internationalen Roten Kreuzes ICRC. Der Sinn der Pressekonferenz wurde sofort klar. Es ging um Osama-Bin-Laden. Die Amerikaner hatten die Taliban aufgefordert, Osama kein weiteres Gastrecht in Afghanistan zu gewähren. Die furchteinflössenden Taliban wiesen jegliche Einmischung in Ihre Angelegenheiten zurück und bestätigten das ein GAST ihres Landes solange Gastfreundschaft geniesst wie dieser sich bei Ihnen aufhält. Dies war die Message die wir Ausländer den Amerikanern übermitteln sollten.

Am darauffolgenden Tag wird um die Mittagszeit von ICRC ein absolutes Ausgehverbot erlassen, nicht einmal Einsätze mit dem Auto werden gefahren. Langsam sickert durch was am Morgen geschah. Der Italiener der gestern neben mir sass ist tot. Nahe der iranischen Botschaft wird sein Auto in einen Unfall verwickelt, der Fahrer ist ein Afghane. Ungefähr folgendes hat sich dann abgespielt: Der Italiener steigt aus..es kommt zu einem Handgemenge.. ein oder 2 Schüssen fallen.. er sackt zusammen.. der oder die Unfallgegner flüchten. Der Italiener wird schwer verletzt ins nahe gelegene Krankenhaus gebracht. Das ICRC schickt ihre Ärzte zur Unterstützung zum Krankenhaus, dort werden sie nicht zum Verletzten vorgelassen.. sehr ungewöhnlich.. man könne den Patienten sehr wohl selbst behandeln. Der Patient verstirbt. Die Taliban lassen verlauten dass dies wohl ein KOMPLOTT der Pakistanis gewesen sei.
Meines Erachtens wurde der Italiener ermordet weil er ein UNO Soldat war und Uniform trug. Es hätte unter Umständen auch mich als Stellvertreter der "Ungläubigen" treffen können, doch a) war ich DEUTSCHER und b) war ich durch meine Tätigkeit für die Kabuler Bevölkerung eine grosse Hilfe. Alle Afghanen wollten mich an diesem Tag davon abhalten zur Arbeit zu gehen. Ich fühlte mich sicher und fuhr demonstrativ mit dem Fahrrad zur Arbeit. An diesem Tag war ich wohl der einzige Ausländer der durch Kabul fuhr.

Ehrenwerte Arbeit

In dem Vertrag den die afghanische Regierung -damals unter Präsident Rabbani- und meine Firma 1994 abgeschlossen hatten, stand unter anderem ein Paragraph der die "ehrenhafte Arbeit" zum Wohle des afghanischen Volkes beschrieb. Irgendwie war für mich logisch das man in einem fremden Land und einem Regierungsauftrag äusserst seriös arbeiten musste, aber zurückblickend versteh ich diesen Passus natürlich sehr gut.
Ich kann heute nicht mehr genau sagen an welchem Tag im Sept. 2000 mein Manager AMIRJAN mich in Hamburg anrief und von "auffälligen " Telefonaten sprach. Diese Telefonate wurden von "nicht-Afghanen/Arabern" nach Aden geführt. AMIRJAN war der Meinung das da nichts "GUTES" besprochen wurde, genaueres wusste er nicht, da die Araber ja in der Ihnen zugewiesenen Telefonzelle sprachen. Allemal waren die Umstände der Telefonate und die Personen "auffällig". Er übermittelte mir die in Aden angerufenen Telefon-Nummern.

Umgehend berichtete ich diese Angelegenheit unserem Nachrichtendienst, nebst den Telefonnummern. 14 Tage später las ich in den Zeitungen das es einen Anschlag auf ein amerikanisches Kriegsschiff nämlich der USS COLE in ADEN gegeben hat. Wer da wohl geschlafen hat?

Es liegt was in der Luft

Eines Tages (März 97)erhielt ich in Kabul eine Warnung: Es stünde "etwas" bevor. Dies konnte nur bedeuten dass es gefährlich werden könnte. Ich entschloss mich daher "ein paar Tage Urlaub" zu nehmen. Mit meinem Freund SABIR L. fuhr ich daher am Freitag nach Peshawar in Pakistan. Dazu muss man wissen dass es keine Strasse nach Jellalabad gibt, sondern nur eine Trasse, in der Löcher sind die so gross wie ein Auto sind. Man benötigt für die Strecke Kabul -Jellalabad ca 7 Std, Durchschnittsgeschwindigkeit ca 25kmH Eine Tortur für den Rücken.
In Jellalabad machten wir Rast in dem Hotel .. (name vergessen, weisses pferd oder so ähnlich) es war das einzige Hotel welches dem Standard von Ausländern in etwa entsprach. Dort sass ein einziger Gast im Restaurant. Wir gesellten uns zu Ihm. Er stellte sich als PETER ARNETT vor, Sabir stiess mich an und flüsterte mir zu: Das ist der STAR-Reporter von CNN. Ich wunderte mich wieso SABIR ihn kannte. Mir sagte der Name überhaupt nix. Was er denn so hier mache fragte ich ihn.. "I´m just hanging around here for a few days " war seine Antwort. Aha dachte ich mir, der hat auch was läuten hören wie ich, Urlaub macht der hier nicht. Er wartet wohl auch auf etwas , das passieren würde. Für mich war das eine Bestätigung der Information die mich in Kabul erreichte.
Wir wünschten ihm viel Glück und fuhren weiter nach Pakistan. Keine beunruhigenden Meldungen aus Kabul weder Samstag,Sonntag noch am Montag. Ich entschloss mich daher am Dienstag wieder zurück nach Kabul zu fahren. Am Dienstag morgen ca. 11:00 treffen wir in Jellalabad ein. Die gesamte Stadt ist von einer roten Staubschicht bedeckt wie nach einem Vulkanausbruch, Strassen sind gesperrt. Uns wird erzählt es hätte eine Explosion in einem Waffenlager gegeben. Auf unseren Weg nach Kabul müssen wir die Explosionsstelle passieren und ich erkenne sofort das hier eine Rakete eingeschlagen hat. Ich wundere mich welcher Kriegsherr denn wohl über eine solche gewaltige Waffe verfügt.. Hekmatyar nicht..Dostum nicht..und Ahmad Sha Massoud sicher auch nicht, hm, evt. etwas aus Pakistan? .. grübel. Nachdem wir einige Kilometer aus Jellalabad raus sind, packe ich mein NERA Satelliten Telefon aus und ruf meine Frau in Hamburg an. Weisst du schon was hier passiert ist. frag ich.. Sie: das ist doch schon durch die Weltpresse. Ach PETER ARNETT war ja vor Ort, dachte ich mir noch und wunderte mich dass er besser als ich wusste WO es passiert. Lange Zeit hat mich die Geschichte nicht mehr interessiert und was wohl dahintersteckte. Ein Jahr später besucht mich auffällig oft ein Engländer (Peter J). Wir kannten uns schon länger und trafen uns in den Jahren häufiger. Er kam dann in den GERMAN CLUB oder auch zu mir in die ehem. Österreichsche Botschaft, wo ich ihm sogar gestatte seinen defekten Jeep abzustellen. Das besondere an ihm war, dass er jedesmal wenn wir uns trafen einen anderen Job hatte. Mal war er bei einer Hilfsorganisation beschäftigt, dann war er für SHELL unterwegs, oder verkaufte SOLARPANEL oder er arbeitete als Reporter. Ich bemerkte dass er irgendetwas von mir wollte.. wir unterhielten uns über dieses und jenes .. bis das Thema auf den Vorfall in Jellalabad kam. Er sagte: Ich war damals auch dabei. OHA..denk ich mir.. Was hast du denn da gemacht? Ich war der KAMERA-Mann von Peter Arnett: Wir hatten vorher nicht über Peter Arnett gesprochen, also sagte er die Wahrheit. Meine scheinheilige Frage: Und wen habt ihr interviewt? Er: Am Abend vor der Explosion haben wir OSAMA Bin Laden interviewt!
http://www.anusha.com/osamaint.htm
PENG! Nun ging mir ein Licht auf! Ich spekulier nun mal: Peter Arnett hat auch ein Satellitentelefon und einen Garmin GPS-Empfänger, wie ich. Nach dem Interview ruft er in Atlanta bei seiner Redaktion an. Er gibt die Koordinaten auf. In Sichtweite von CNN befindet sich auch der CIA. Eine CRUISE MISSILE wird von einem US-Kriegsschiff aus dem indischen Ozean abgefeuert mit dem Ziel Jellalabad. Die Missile trifft dort morgens ca. 7:00 ein, Pech war nur.. Osama frühstückte am Morgen woanders.

Das diese Spekulation der Wahrheit sehr nahe kommt, geht aus der folgenden Geschichte hervor. Es war 1996 als es einen CRUISE MISSILE Angriff auf ein Ausbildungslager nahe Khandahar gegeben hatte Damals war CLINTON Präsident der USA und Herr KOHL war Kanzler. Zu der Zeit befand ich mich mal wieder in Kabul. Kanzler Kohl bekundete seine Sympathie mit den Amerikanern und stand hinter der Aktion des Angriffs. Ich musste mir damals schon einiges anhören von meinen afghanischen Freunden, wieso mein Kanzler solches gut heissen könne. Meine Frau rief daraufhin im AA an und beschwerte sich darüber das Herr Kohl mit seinen Äusserungen mein und das Leben anderer Deutscher in Gefahr bringen könnte. Ich glaub sie hat das etwas drastischer vorgetragen. :-)

Meine Kriegsverletzung

Es ist ein Wunder, aber ich habe in den Kriegstagen (und das war echter Krieg) in Kabul keine Verwundung durch Waffen erlitten. Ich sagte mir damals immer: Das ist nicht MEIN Krieg und niemand hat etwas gegen mich, der Gefahr ging ich aber weitestgehend aus dem Weg.
Die einzige Wunde wurde mir vom Hund des Roten Kreuzes zugefügt, und das kam so:
Beim ICRC war eines Abends eine kleine Party in den Kellerräumen eines ICRC-Mitarbeiters, es gab Kekse und alkoholisches. Zum Haus gehörte auch ein grosser schwarzer Labrador, der dort zwischen den Gästen herum wuselte. Ich sass auf einem Barhocker und hielt dem Hund -als er bei mir vorbeikam- einen Keks hin und er nahm ihn an. Wir hatten Zuhause auch einen Hund also wusste ich in etwa wie man mit Hunden spricht. Beim nächsten Hunderundgang hielt ich ihm wieder einen Keks hin - er knurrte - aber ich liess nicht locker und hielt ihm den Keks etwas näher unter die Nase. Das fand der Hund nicht gut und biss ohne weitere Warnung mit aller Kraft in meine Hand, das Blut spritzte nur so, ich rutsche vom Hocker und war der Bewusstlosigkeit nahe. Wie gut das Ärzte und Sanitäter um mich herum waren die mich erst mal in stabile Seitenlage brachten, die Wunde verbanden und mir irgendwas in den Arm spritzten. Nach ein paar Minuten ging es mir dann besser und ich konnte mein Bier zu Ende trinken. Was aus dem Hund geworden ist, entzieht sich meiner Kenntnis, ich hoffe er hat überlebt.

Drei Galgen

Eines Montags-Morgen (1995) wurden 200mtr vor dem Hauptpostamt im Park auf einer kleinen Anhöhe 3 Galgen errichtet. Ich erschrak und fragte nach was das zu bedeuten hätte, man erzählte mir das am Dienstag dort drei Mörder erhängt werden. Ich war sprachlos. Am Dienstag ging ich nicht zur Arbeit, denn ich wollte mir den Anblick und die zu erwartenden Schaulustigen ersparen. Doch am Dienstag geschah erst mal nichts. Irgendwie gab es Aufschub für die Delinquenten, neuer Termin war dann der Donnerstag. natürlich ging ich dann am Donnerstag wieder nicht ins Büro. Was dort geschah kann ich nur aus Erzählungen wiedergeben. Die drei wurden aufgeknöpft und als sie vom Podest gestossen wurden, stiess einer der drei mit seinen Füssen auf den Boden. Er war zu gross und der Henker hatte sich in der Höhe wohl geirrt. Dem Gehängten nun Gnade zu erweisen, viel den Verantwortlichen nicht ein, man grub unter seinen Füssen ein Loch, sodass er nicht mehr stehen konnte. Ob man ihn dann nach unten gezogen hat um ihm das Genick zu brechen oder ob er qualvoll stranguliert wurde ist nicht geklärt und ich wollte das auch nicht wirklich wissen.

Hekmatyar´s Leute ermorden MIRWAIS

Ein italienischer Journalist erschien völlig aufgelöst in meinem Office und bat um ein sofortiges Telefonat. Der Mann zitterte am ganzen Leib. Selbstverständlich durfte er sofort und ungestört telefonieren. Nach dem Telefonat erzählt er mir was passiert war. Der Journalist war mit einem Dolmetscher, MIRWAIS bei Hekmatyar. Soweit mir bekannt, war Mirwais bei der Zeitung in Kabul beschäftigt. Mirwais übersetzte nur die Fragen des Italieners, möglicherweise hatte er aber auch anderes gesagt oder gefragt. Jedenfalls schickte Hekmatyar nach dem Interview seine Leute hinter dem Jeep hinterher; einige Kilometer vor der Stadt wurde der Jeep überholt und angehalten. Mirwais wurde aus dem Jeep gezerrt.. heftigst beschimpft.. an den Strassenrand gezogen und dort erschossen. Den Italiener liess man weiterfahren.

Aus Sicherheitsgründen wurde der Italiener bei den "weissen Brüdern" untergebracht. Die weissen Brüder sind zwei Deutsche die schon lange in Kabul weilten und im Hospital arbeiteten. SCHORSCH (Georg) kennt jeder der längere Zeit in Kabul war. Zu den weissen Brüdern gehörte auch ein Schweizer - Herr STEINER-, dieser hatte ebenso ein Satellitentelefon wie ich. Ich verkehrte sehr gern in meiner Anfangszeit bei den Brüdern. Sie wohnten auch nur ein paar Häuser weiter. Der Italiener wurde dort versteckt und als verletzt ausgegeben, ich vermute dass die weissen Brüder dann mit dem ICRC gemeinsam den Italiener unbemerkt ausser Landes brachten.

Österreichsche Botschaft Teil 1v5

Irgendwie hat der österreichsche Botschafter Herr POSCH in Pakistan davon gehört, dass in Kabul ein Deutscher sich aufhielt, daher wurde an mich die Bitte herangetragen ob ich nicht dafür sorgen könnte einige wertvollere Gegenstände aus der Kabuler Botschaft nach Pakistan zu versenden. Insbesondere ging es um das PIANO und dem Augarten-Service. Herr HAKIMI bot sich an das zu übernehmen. Er war ein enger Freund von Ahmad Sha Massoud und das war sicher von Vorteil. Es wurde alles in Holzkisten verpackt und stand dann versandfertig ca. 3 Monate noch dort. Aufgrund der noch bestehenden Kriegsereignisse konnte es nicht versandt werden, und es schien so als ob Massoud sich persönlich darum kümmern wollte, also musste man warten bis Massoud Zeit hatte die Angelegenheit in die Hand zu nehmen.

Dies berichtete ich dem Botschafter Posch in Pakistan persönlich auf einer meiner Rückreisen. Die österreichsche Botschaft in Kabul würde auf absehbare Zeit nicht wieder besetzt und somit bat man mich doch das ganze Mobiliar zu veräussern. Ich fertigte daraufhin eine Liste an mit allen Gegenständen die sich im Haus befanden, darunter befand sich auch ein schwarzer Mercedes Benz. Nach Einbau eines neuen Verteilerfingers sprang der Wagen tatsächlich an. Das Haus war komplett möbliert und ausgestattet. Im Konsulartrakt befanden sich Büromöbel und Safes. In den Schränken fand ich ein Bild des Schwedischen Königs nebst der schwedischen Nationalflagge, welche dort deponiert waren. Monate später war die schwedische Flagge weg, auf Nachfrage bekam ich die Antwort man hätte daraus Putztücher gemacht. Na toll. Ich schätzte den Wert des Mobiliars nebst Benz auf ca 25.000 $ unter Berücksichtigung der Kriegslage.

Herr Hakimi bot sich an das gesamte Mobiliar zu kaufen und ich machte daraufhin mit ihm einen Kaufvertrag. Ich war so naiv zu glauben er würde es bezahlen, denn er kümmerte sich ja auch nach dem ausscheiden meines ehemaligen Kompagnon Herrn T. um mein Telefongeschäft. Aufgrund der Buchführung ergab sich eine Differenz von mehr als 30.000$, die er nicht überwiesen hatte. Er stritt auch ab das es eine Differenz gab. Die Mädels versicherten mir dass die Belege diese Differenz ausweisen. Später waren sie dann nicht mehr so sicher. Wenn ich aber die Ausgaben mit den Einnahmen verglich, wusste ich dass die 30.000 fehlen. Trickreich übersandte mir Hakimi dann über das ICRC die Summe von 25.000$, somit gab es eindeutig Belege das ich 25.000$ erhalten hatte. Nur waren das natürlich die Einnahmen aus dem Telefongeschäft.

Gegenüber dem östereichschen Aussenministerium war ich aber verpflichtet diese 25.000$ zu bezahlen. Da ich dies nicht konnte habe ich mit dem österreichschen Konsul (Frau Konsul ) in Hamburg einen Ratenvertrag vereinbart. Der Vertrag wurde von mir erfüllt. Somit war ich dann Eigentümer des Mobiliars und allem was dazugehörte. Der Eigentümer der Immobilie wohnte in TURKMENISTAN und hatte einen Stellvertreter in Kabul, an diesen wurde auch die Miete bezahlt. Die Eigentumsverhältnisse gingen aus den Original Papieren hervor , die Manager ARIF dann verwahrte. Fortan wohnte ich bei meinen Afghanistanaufenthalten in der ehemaligen österreichschen Botschaft, bis die Taliban dort den Pakistanischen Botschafter in meiner Abwesenheit einquartierten. Der Diener ACHTAR pflegte Haus und Garten und bekam dafür ein kleines Salär.

Österreichsche Botschaft Teil 2v5

Hakimi hatte offensichtlich einen direkten Draht zu Achmad Sha Massoud denn eines Tages fuhr ein Tross von Leuten auf den Hof der Botschaft und mir wurde bedeutet ich solle mich ins Gästezimmer zurückziehen, man zog sogar die Gardinen zu damit ich nicht auf den Hof sehen konnte. Das Haus wurde durchsucht und dann erst betrat der legendäre LÖWE VON PANSCHIR die Räume. Die Botschaft war umgeben von einer sehr hohen Mauer, hatte eine strategisch günstige Lage und einen schönen Garten. Am ersten Abend hatte ich keine Gelegenheit den "Chef" zu sehen. Er schien aber sehr angetan von dem Ambiente, führte ein paar Gespräche mit Vertrauten im Salon und verschwand nach 2 Stunden wieder. Die Wachen, die quasi vor meinem Gästezimmer standen, bedankten sich bei mir und ich konnte mich wieder frei im Haus bewegen. In den darauffolgenden Wochen erschien der "Chef" dann häufiger. Von mal zu mal wurde meine Freiheit mich im Haus zu bewegen weniger eingeschränkt. Nur ins "Allerheilige" durfte ich nicht, wenn der "Chef" seine Geschäftsbesprechungen/Kriegsrat abhielt. Bei seinem Kommen begrüssten wir uns meist mit zunicken. Seine Leute waren sehr höflich. Achmad Sha Massoud übernachtet dann auch öfter im Haus, wie ich bemerkte schlief er nie mehr als 5 Stunden. Er war ein sehr hagerer grosser Mann, immer in Action, gab ständig Anweisungen über Funk an sein Militär, wälzte Karten und besprach sich mit den Vertrauten. Irgendwann bekam ich dann Erlaubnis mit ihm persönlich zu sprechen, er war aufmerksam und interessiert. Als wir sprachen schien er entspannt und wurde weder von Funkgesprächen noch von seinen Leuten gestört. Es war ein sehr harmonisches und fast freundschaftliches Gespräch, besonders als wir feststellten das wir zwei sehr gute Bekannte -im diplomatischem Dienst- gemeinsam hatten. Beinahe hätte ich ihn darum gebeten mir doch seinen PAKOL im Tausch mit einem neuen Pakol zu geben , den ich mir gerade gekauft hatte; aber irgendwas in mir sagte: Das gehört sich nicht. Wäre niemandem aufgefallen denn beide hatten die gleiche Farbe.

Österreichsche Botschaft Teil 4v5

Nachdem "mein" Haus nun vom pakistanischem Botschafter besetzt ist, marschiere ich ins Aussenministerium in Kabul und trage dort meinen Anspruch auf INVENTAR und Miete vor. Das schien keinen zu beeindrucken, ich fordere das man die Unterlagen zu Rate zieht, wohlwissend das die Unterlagen bereits vor Einzug der Taliban von oder durch HAKIMI aus dem Ministerium verschwunden sind. Für Backschisch ist alles möglich. Da es keine Unterlagen gab, musste man tätig werden und holte offizielle Erkundigungen bei den Österreichern ein. Das dauert natürlich fast zwei Jahre.

Jedes Mal wenn ich in Kabul weilte wurde ich wegen dieser Sache vorstellig. Der pakistanische Botschafter bezahlte keine Miete, er meinte, er hätte die Immobilie vom Islamischen EMIRAT zur Verfügung gestellt bekommen und ich könne meine Ansprüche nur im Ministerium geltend machen. Nach 2 Jahren platzt mir der Kragen, nachdem ich aus dem Aussenministerium gehört habe, das der Minister dem pakistanischem Botschafter gesagt haben soll: Der E. ist immer nur ein paar Wochen in Kabul da kannst du ruhig drin bleiben! Nun schreibe ich dem pakistanischem Botschafter einen Brief mit dem Inhalt: Er wüsste, das er nicht legal in dem Haus wohnt, er auf Mobiliar sitzt welches ihm nicht gehört und keine Miete bezahlt. das wäre eines Diplomaten nicht würdig und auch nicht Gentleman-like. Der Botschafter eilt sofort ins Aussenministerium und verlangt vom Minister: Wirf den E. aus Afghanistan raus. Der Minister sagt: Das kann ich nicht.

Es findet darauf hin ein Treffen zwischen dem Botschafter und mir im Aussenministerium statt. Fazit: Das Ministerium wird dem pakistanischem Botschafter ein anderes Domizil zuweisen und ich könne in 4 Wochen wieder einziehen. Ich befürchtete nun wieder die Hinhaltetaktik und bleibe diesmal länger in Kabul. Tatsächlich zieht die pakistanische Botschaft in der 5. Woche um. Grosszügigerweise bekamen die Pakistanis zwei Anwesen im Stadtteil Wazir Akbar Khan zugewiesen, sie hatten sich verbessert.

Als ich das erstemal wieder den Konsulartrakt der ehem. Botschaft betrete bin ich schockiert. Dort wurde nicht gewohnt, nein dort wurde gehaust. Näheres möchte ich hier nicht schreiben. Nachdem ich das noch vorhandene Inventar mit meiner früher angefertigten Liste vergleiche, stellte ich fest , dass noch ca. 10% des Inventars vorhanden ist. Man rät mir von allen Seiten keine Forderungen an irgendjemand wegen des fehlenden Inventars zu stellen. Diesmal bin ich einsichtig.

Zwei Tage nach dem Auszug der Pakistanis besucht mich ein pakistanischer General und bittet mich um die Kronleuchter die man vergessen hätte mitzunehmen. Diese Bitte musste ich ihm leider abschlagen. Soviel Dreistigkeit hatte ich noch nicht erlebt.

Freunde in der indonesischen Botschaft

Die zwei noch verbliebenen Mitarbeiter der indonesischen Botschaft kamen häufig zum telefonieren und wir luden uns gegenseitig ein. In der Zeit vor den Taliban gab es alkoholisches aus den Botschafts-Beständen, ganz vorzügliche Weine. Nach Besetzung Kabuls durch die Taliban wurden aus den beiden Caretakern Anti-Alkoholiker, scheinbar waren die Bestände aufgebraucht. Trotzdem ging ich öfter zu Ihnen; des Essens, der Unterhaltung und dem Billardspielen wegen.

Tätigkeiten der NGO´s in Afghanistan

NON-GOVERNMENTAL-ORGANISATIONEN (Regierungsunabhängige Organisationen) sind ein ganz besonderes heikles Thema.
Die einzige Organisation die in Afghanistan hervorragende und untadelige Arbeit leistet - ist das INTERNATIONALE ROTE KREUZ (ICRC). Wenngleich das ICRC politische Bewertungen in Form von Berichten an Ihre Zentrale gibt und damit meines Wissens nach gegen Ihre eigenen Statuten verstösst.

Beinahe hätte ich hier nun eine Rangliste erstellt aber damit würde ich mir Klagen einhandeln, aus diesem Grund werde ich auch keinen Namen von den ca. 15 Organisationen nennen die zu meiner Zeit dort Aktivitäten hatten. Natürlich gibt es noch einige GUTE Organisationen besonders DIE die sich um kranke Kinder kümmern.
Von Seiten der afghanischen Regierung (egal welcher Regierung) wurde immer die fehlende Transparenz der NGO-Aktivitäten bemängelt. Vorwiegend ist dabei der finanzielle Aspekt zu sehen. Man möchte wissen, wie viel Geld zur Verfügung steht und wofür es verbraucht wird. Am liebsten würde die Regierung ein Mitspracherecht bei NGOS erhalten. Dafür spricht, dass es NGOs gibt die ca. 90% des ihnen zur Verfügung gestellten Geldes , allein zum eigenen Unterhalt verbrauchen. Dagegen spricht, dass damit der Korruption Vorschub geleistet wird.

Etliche NGO´s sind in Wirklichkeit Dependancen von ausländischen Diensten. Kleines Beispiel nebenbei: Eines Tages entdecke ich auf dem Dach eines Hauses gegenüber der IRANISCHEN Botschaft Solarpanel die meinen "verschwundenen" zum verwechseln ähnlich sehen. Da ich nun einen afg. Bekannten hatte der wiederum etwas mit dem Haus zu tun hatte und es ansonsten in Kabul bis dato solche Panels nicht gab, waren das dann wohl tatsächlich meine Panels. In dem Haus residierte eine NGO. Der Leiter stellt sich als Terry vor (Amerikaner). Wie kommen meine Solarpanel auf dein Dach TERRY ? ..Die habe ich aus Pakistan mitgebracht. Kann ich mal die Seriennummer der Panels sehen? .. Nein. Die Panels und den zugehörigen Spannungswandler (Converter) hatte ich bei Siemens gekauft, daher wollte ich noch den Wandler sehen .. sorry, der Technikraum ist TOP-SECRET. Nun wollte ich noch die Rechnung sehen, als NGO wird er sowas sicherlich in den Büchern haben. Nach einigem eifrigen Suchen wurde diese wichtige Rechnung nicht gefunden. Das einzige was ich Terry glaubte war dass er die Anlage gekauft und nicht gestohlen hatte; nämlich von meinem Bekannten (ohne Rechnung). Terry hatte bei mir auf gut deutsch versch******. Weitere Aktivitäten um meine Solarpanel nebst Converter (ca. 2000 DM) zurückzubekommen verkniff ich mir. Der Raum in dem seine Technik stand war übrigens direkt gegenüber der IRANISCHEN Botschaft.

Ein anderes Beispiel wie Organisationen (sagen wir lieber kriminelle und korrupte Mitarbeiter dieser NGO´s) arbeiten: Eine Ladung Weizen soll nach Kabul gebracht und dort kostenlos verteilt werden. In Pakistan befindet sich der Weizen zunächst in 1000 Säcken a´ 50kg in Kabul kommen auch 1000 Säcke an aber nur mit 25kg. Keinem fällt etwas auf. In Kabul wird mit grossem Eifer daran gearbeitet den Weizen gerecht zu verteilen. Dies geschieht mit Hilfe von afgh. Helfern die für die gerechte Verteilung ca. 10% an ganz besonders Bedürftige verkaufen. Als ich diesen Fall im deutschen Auswärtigem Amt vortrage, bekomme ich als Antwort:
Wir sind schon froh wenn 50% der Ware am Endziel ankommt. Kein weiterer Kommentar.

Legendäre Gastfreundschaft

Die afghanische Gastfreundschaft ist sehr ausgeprägt. Nach Einzug der Taliban nahmen die Einladungen an Ausländer jedoch rapide ab, denn niemand traute sich mit einem "Ungläubigen" gesehen zu werden. Zunächst muss man wissen, dass man auf die erste und zweite ausgesprochene Einladung auf keinen Fall eingehen darf. Diese Einladungen sind reine Höflichkeitsfloskeln. Der Einladende wäre geschockt wenn man plötzlich vor seiner Tür steht.

Bei der dritten ausgesprochenen Einladung sollte man dankend annehmen und einen Termin vereinbaren, dann ist die Einladung ok. Tritt man in das Haus oder die Wohnung, zieht man an der Haustür seine Schuhe aus. Der Mann des Hauses geleitet einen dann in das Wohn- und Esszimmer in dem ringsum auf dem Fussboden flache lange Sitzkissen liegen. Diese werden des Nachts auch als Matrazen genutzt. Als Rückenlehne und zur Bequemlichkeit liegen Kuschelkissen bereit. In der Mitte auf dem Boden liegt eine Plastikdecke auf dem die Gerichte serviert werden. Normalerweise gibt es kein Besteck, denn Afghanen essen mit den Fingern. Sollte die afg. Familie bereits Ausländer zu Besuch gehabt haben, erbarmen sie sich und reichen einem einen Löffel. Es gibt natürlich auch Haushalte wo man am Tisch auf Stühlen sitzt und mit Besteck isst, das ist aber die Ausnahme. Die Hausfrau bekommt man generell nicht zu Gesicht, sie bereitet das Essen in der Küche und die Kinder bringen das Essen herein. Ist der Anlass der Erst-Einladung evt. eine Geschäftsanbahnung darf man auf keinen Fall beim ersten Besuch übers geschäftliche reden.

Vor dem Essen gibt es zunächst den obligatorischen grünen TEE (Tschai sabs). Zum Essen gibt es dann als Erfrischung eine Dose COLA oder auch ein Glas Joghurt (Doogh). Man wundert sich über die Riesenschüsseln mit Reis vermischt mit Wurzeln und Rosinen und mit gekochtem Fleisch (Kabuli Palau). Die Menge die sich ein Afghane auf den Teller füllt, schafft kein "Westler". Der Nährwert der Nahrung dort ist bei weitem nicht so hoch wie der Nährwert unsere Lebensmittel in Europa oder USA. Daher isst der Afghane mengenmässig mehr. Ich konnte mengenmässig daher nur die Hälfte essen, kein Wunder das man dort abnimmt. Zum Dessert gibt es süssen Pudding oder auch selbstgemachten Joghurt mit Kräutern. Zum Schluss isst man Obst : Mango, Äpfel, Orangen, Maulbeeren (blau,weiss,rosa), Honigmelonen, Wassermelonen und Granatapfel. Das schneiden der Melonen übernimmt der Hausherr. Den Granatapfel zu öffnen bedarf schon einiger Übung, meist fliegen die kleine roten Kerne wie Granaten durch die Gegend. Worüber die Kinder sich immer köstlich amüsieren. Ich persönlich schäle die harte Schale des Granatapfels ab, dann bleibt nur noch die weiche Haut nach und man erkennt an welchen Stellen die Kern-Segmente beginnen, dort bricht man sich ein Stück heraus und lutscht die Kerne heraus. Da sind die Kinder immer verblüfft.

Da wir gerade beim Essen sind, hier die wichtigsten afghanischen Speisen:
Ashak : gekochte Lauchtaschen,
Kabuli Palau : Reis mit Wurzeln, Rosinen und gek. Fleisch,
Bolani : gebratene Lauchtaschen,
Burani Banjan : Auberginen
Kabob( Kebap): gegrillte Fleischwürfel

Dessert: Jalebi - Kuchen/Keks
Fladenbrot: Naan - Rundes Fladenbrot wie Pizzaboden
Getränk: Doogh - Jogurt mit Gurken/Salz und Pfefferminz

Das Kabob wird auf Holzkohlefeuer gegrillt und meist auf einem Spiess serviert, dazu isst man das Fladenbrot (Naan). Afghanen brechen sich ein Stück vom Brot ab und umfassen mit dem Brot ein Fleischstückchen und stecken es dann in den Mund. Die Fleischstücke die aus reinem Fett bestehen sind am begehrtesten, da am nahrhaftesten. Mir schob man immer diese "besten" Stücke zu, ich hatte Mühe aus Höflichkeit ein paar Stücke zu essen aber mein Magen war dagegen und ein Würgen im Hals meldete sich.

Um zu verdeutlichen wie weit die afghanische Gastfreundschaft gehen kann eine kleine Geschichte: Ein fremder Mann bittet um Beherbergung bei einer Familie. Am nächsten Morgen erfährt der Hausherr das der Fremde einen seiner Verwandten getötet hat. Der Fremde bleibt dennoch im Haus und geniesst weiterhin das Gastrecht, der Hausherr kann ihn nicht rauswerfen und darf ihm auch nichts antun. Solange der Täter im Haus ist, ist er sicher. Sollte der Täter jedoch das Haus verlassen... Wie weit um das Haus herum das Gastrecht noch gilt habe ich nicht herausgefunden.
Andererseits kann das Gastrecht aber auch soweit ausgedehnt werden, das daraus eine Nötigung und Freiheitsberaubung wird, wie es mir zwei mal passierte indem man mich daran hinderte das Land zu verlassen.

Das verschwundene Satphone des Präsidenten

Am Beginn unserer Tätigkeit als Telefon-Service-Provider stellten wir dem Präsidenten Rabbani eine direkte Leitung in die Palast-Räume zur Verfügung. Als die Gebühren sich der Höhe von 500$ näherten, stellte ich eine Rechnung ans Präsidialamt. Diese Rechnung wurde nicht beglichen. Ich ahnte natürlich warum, aber ich konnte keine Ausnahmen zulassen und musste daher die Leitung stilllegen.

Natürlich muss der Präsident eines Landes jederzeit telefonieren können (auch wenn die meisten im Land nicht telefonisch erreichbar sind) daher verkauften wir Prof. Rabbani ein Koffer-Satellitentelefon. Mit meinem eigenen Satphone demonstrierte ich beim Präsidenten die Funktionsweise des Gerätes. Die Koffer sahen aus wie die üblichen Samsonite-Aktenkoffer. Man klappte den Koffer auf, arretierte den Deckel im Winkel von ca. 45° und richtete ihn nach Süden aus und stellte anhand einer Messskala den höchsten Empfangspegel ein indem man die Koffer-Position optimierte. Dann konnte man weltweit jede Telefonnummer anrufen, sofern die interne Batterie geladen war oder man wenigstens eine Autobatterie mit 12 Volt zur Verfügung hatte. Natürlich hatte das Telefon eine Geheimnummer die man nach dem Anschalten eingeben musste. Damit es keine Abrechnungsprobleme gab, lief das Telefon im PRE-PAID Modus. Näherte sich das Minutenkontingent dem Ende zu, musste der Bediener Minuten neu bestellen und bezahlen, daraufhin bekam der Bediener eine 12 stellige Codenummer die er eingeben musste. Das Gerät überzeugte die Präsidentenberater und das Gerät wurde bestellt.

Das Satphone wurde verpackt, versichert, als Diplomaten-Gepäck deklariert und per DHL an die afg. Botschaft in New Delhi geschickt. Von dort sollte der Botschafter Khalilli den weiteren Transport übernehmen. Das Telefon kam dort nicht an. Alle Bemühungen es zu finden führten zu nichts. Die Versicherung wollte natürlich auch nicht zahlen. Die diplomatischen Verbindungen zu Indien wurden seitens Massoud/Khallili zu der Zeit gerade intensiviert. Man wollte mehr mit Indien als mit Pakistan zusammen arbeiten. Dies machte sich -unter anderem- daran bemerkbar dass man von Delhi nach Kabul fliegen konnte. Der Direktflug von Delhi nach BAGRAM war schon um einiges angenehmer als der Landtrip von Peshawar nach Kabul.

Bei meinem nächsten Trip nach Kabul machte ich einen Zwischenstopp von 3 Tagen in Delhi um mich um den Verbleib des Telefons zu kümmern. Im DHL Büro wo die Fracht zuerst nach Landung bearbeitet wird, waren angeblich keine Frachtpapiere von dem entsprechendem Flug. Man spürte schon das die Mitarbeiter im DHL Büro nervös und nicht kooperativ waren. Ich war nämlich nicht der einzige "Nachforschende" an dem Morgen. Ein Engländer war vor mir dran und hatte schon Rabatz gemacht. Der Amerikaner sass noch still aber sehr ungehalten im heissen Flur, er war nach mir dran. Mich wimmelte man ab indem man mir die Adresse des Spediteurs gab der sonst die Fracht durch Delhi transportiert. Bei der angegebenen Adresse gab es diese Firma gar nicht, ich frage mich durch das schmuddelige Bürohaus und tatsächlich kannte jemand die Transportfirma, leider residiert die am anderen Ende der Stadt. Also rein in die Riksha und dort nachgefragt. Das Erstaunen dort über mein Begehren -ohne Papiere etwas zu suchen- überzeugt mich von deren Unschuld. Am nächsten Tag nehme ich mir den Zoll vor, dort ist man höflich und reserviert, reicht mich aber weiter an die nächste zuständige Abteilung. Dreimal muss ich meinen Vortrag wiederholen bis ich in den aller heiligsten Zollverwahrungsraum gelassen werde um mich dort persönlich davon zu überzeugen das dort kein Paket mit Aufschrift "Diplomatic Bag" gelagert wird. Man versichert mir beim Zoll: wenn es denn überhaupt hier angekommen ist, dann ist die afghanische Botschaft 100% informiert gewesen und hat es abgeholt. Papiere gibt es darüber nicht, ich denke mir die Jungs hatten auch keine Lust an solch heissem Tag irgendetwas zu suchen.
Nächsten Tag noch der Besuch bei der Botschaft: Der Botschafter ist nicht da und ansonsten kennt man meinen Fall nicht und kann daher auch nicht helfen, Danke und Auf Wiedersehen.
Die Versicherung hat dann 1 Jahr später den Schaden anstandslos beglichen (12.000DM ) Selbstverständlich hatte ich bei dieser Reise ein brandneues Satphone für den Präsidenten dabei und führte den jungen Engineer BARJALAY, in die Bedienung des Gerätes ein. Nach der Taliban Zeit im Jahr 2001 wurde der Engineer dann TECHNICAL TELECOMMUNICATIONS MINISTER.

Von Fahrrädern und Autos

Am Anfang meiner Aufenthalte in Kabul fuhr ich meist mit Taxi´s oder ging zu Fuss durch die Stadt. Die wenigsten Taxis waren in einem solchen Zustand das sie in Deutschland eine TÜV-Plakette bekommen hätten. Als ich mich in der Stadt zurechtfand fuhr ich meist mit dem Fahrrad. Mein Wirkungskreis in der Stadt war ca. 3km im Radius, da war man mit dem Fahrrad schneller und ungebundener als mit dem Taxi. Die 40$ für den Anschaffungspreis des Fahrrades waren im Verhältnis zu den Taxikosten nach einem Monat wieder heraus. Natürlich war ich der einzige Ausländer der in Kabul Rad fuhr. Ich hatte mich bewusst fürs Radfahren aus drei Gründen entschieden:
1. Niemand sollte denken ich wäre vermögend ( Ein Afghane zeigt gern sein Vermögen und seinen Status her, er macht sich gross )
2. Jeder sollte wissen dass ich EINER wie Sie bin, eben nichts Besonderes.
3. War es gesund und das Wetter meist schön.
Angst brauchte ich eigentlich nicht haben wenn ich durch die Stadt fuhr, denn der Geheimdienst hatte mir mal gesagt: Wir sehen dich überall und wissen immer wo du bist. Das war einerseits beruhigend, andererseits etwas beängstigend. Ich sagte mir aber das sagen die nur um mich einzuschüchtern.

Vor dem Hauptpostamt-Eingang und vor dem Telecommunications-Ministerium befanden sich sogenannte bewachte Abstellplätze für Fahrräder. Fast alle Angestellten kamen mit dem Fahrrad zur Arbeit. Bevor man sein Fahrrad dort abstellt sollte man einen kleinen Obolus an die dort sitzenden Aufpasser bezahlen, je grösser die Summe ist desto besser wird aufgepasst. Nun stehen dort etwa 50 Fahrräder und man muss sich schon merken wo das eigene Fahrrad steht. Am Anfang klappte das mit dem Fahrradparken recht gut, besonders weil alle mich kannten und mich ehrfurchtsvoll mit "Präsident" ansprachen. Irgendwann nahm ich es dann mit dem Obolus wohl nicht so genau, und mein Stammparkplatz war plötzlich besetzt, das ging ein paar Tage so und ich musste mein Fahrrad nun irgendwo anders hinstellen. Dann war das Fahrrad plötzlich verschwunden. Die Aufpasser meinten das hat sicher jemand verwechselt und morgen wäre es wieder da.
Ich kannte die Mentalität der Afghanen damals noch nicht so gut, dass ich verstand was die Aufpasser meinten. Ich war sauer wegen des geklauten Rades kaufte mir das nächste, bezahlte schön mein Obolus und schloss es nun jedesmal in den Verschlag wo auch unser Generator stand ein.
Irgendwann passierte mir dann das gleiche vor dem Ministerium, Fahrrad weg. Beschwichtigung durch die Aufpasser das könne nur ein Versehen sein, möglicherweise hätte es jemand umgestellt. Ich suche darauf alle Reihen ab aber mein Fahrrad ist nicht dabei. Da mich jeder dort kennt wundere ich mich das gerade mein Fahrrad gestohlen wird, es war ein Aller-Weltfahrrad und eher unscheinbar. Gut kaufe ich mir eben ein neues. Kurze Zeit später fuhr ich dann mit dem Mercedes Benz der österreichschen Botschaft und überliess das Fahrrad dem Diener ACHTAR.

Das war nun doch ein Riesenunterschied mit dem schwarzen Benz vor das Ministerium zu fahren. Der Minister allein durfte mit seinem Wagen durchs Tor und bis zur Treppe fahren. Ich parkte vor dem Ministerium auf der Strasse, üblicherweise war das Parken dort verboten aber ich wurde dort toleriert. Hier gab es nun JUNGS die sich anboten auf das Auto aufzupassen und sie fragte einen jedes Mal ob sie auch es waschen sollten, was natürlich mehr Bakschisch bedeutete. Zahlt man den JUNGS kein oder zu wenig Bakschisch beim Einparken, findet man das Türschloss beim Wiederkommen mit Kaugummi verklebt und kein Junge ist weit und breit mehr zu sehen. Im Wiederholungsfalle wird man mit einem Plattfuss bestraft. Die Steigerung ist ein zerstochener Reifen, danach kommt dann der doppelte Plattfuss.

Nachdem die Taliban in Kabul die "Regierung" übernommen hatten und ich danach das erste mal wieder in Kabul bin, muss ich feststellen das der Mercedes Benz verschwunden ist. Also muss der Diener Achtar zu Fuss gehen und ich fahre mit "seinem" Fahrrad. Achtar ist nun tieftraurig und ich bin gezwungen ihm ein anderes zu kaufen.
Da ich mittlerweile gelernt habe wie das mit den verschwundenen Fahrrädern oder auch anderen "verschwundenen" Dingen abläuft hier nun die Auflösung:
Wenn etwas nicht mehr an seinem Platz ist, heisst es nicht dass es wirklich weg ist. Das DING ist dann nur an einen nicht sehr weit entfernten Platz verlegt worden. Für eine angemessene Summe wird das DING dann gefunden. Sollte kein Bakschisch bezahlt werden oder der Eigentümer sich nicht ernsthaft darum bemüht, wird das DING ein zweites mal verlegt aber nun so weit weg, dass man es nicht wiederfindet. Einige Tage später findet dann erst der wirkliche Eigentümerwechsel statt indem der neue Eigentümer sich des herrenlosen DINGs annimmt. Von Diebstahl kann dabei nun wirklich nicht gesprochen werden.

Mein Mercedes wurde ca. 1 Jahr später gesichtet. Erkannt wurde er an einem besonderem Merkmal, obwohl er mittlerweile weiss lackiert war. Er war nun im Besitz des afghanischen Roten Kreuz (ARCS). Der CHEF fuhr das Auto. Ich also nix wie hin und erkläre ihm das dieses Auto mir gehört und ich im Besitz der Fahrzeugpapiere bin. Natürlich hat ER das Auto rechtmässig erworben. Daraufhin werde ich im Aussenministerium wieder vorstellig und verlange unter Vorlage der Dokumente die Rückgabe des Wagens. Der Minister selbst verfasst einen Brief an den Chef des afghanischen Roten Kreuzes indem er diesen auffordert "dem Ausländer sein Eigentum wiederzugeben". Bei der persönlichen Übergabe des Briefes bekomme ich die Antwort: Der Minister hat mir gar nichts zu sagen und es folgt ein ähnliches Zitat wie wir es von Götz von Berlichingen kennen nur auf afghanisch. Es wäre ihm aber eine Ehre mir das Auto für einen angemessenen Preis zu verkaufen, schließlich hat er das Auto lange gehegt, gepflegt und neu lackiert. Ich war so dumm es nicht zu kaufen.

Wie kam der Wagen nun in die Hände des neuen Besitzers? Einer meiner "Freunde" fuhr während meiner Abwesenheit mit dem Auto. Er kümmerte sich auch um das Haus die ehem. österr. Botschaft. Als die Taliban in Kabul einzogen, musste dieser Freund umgehend das Land verlassen, denn er war ein Bekannter von Ahmad Sha Massoud und befürchtete das ihn diese Bekanntschaft das Leben kosten könnte. Er stellte dann den Wagen auf den Hof des Internationalen Roten Kreuzes, dort war es immerhin sicherer als woanders. Die Fahrzeugpapiere hatte ich in Verwahrung. Auf Dauer konnte natürlich das Auto dort nicht stehenbleiben, das ICRC hat immerhin selbst ca 30 Fahrzeuge. Der Fahrzeugverwalter will nun das Auto loswerden und da trifft es sich gut das der Chef vom afghanischen Roten Kreuz vorbeikommt und das "verwaiste" Auto mitnimmt. Bis dahin war der BENZ noch Schwarz. Da nun die Farbe des Roten Kreuz eher weiss ist, wird das Fahrzeug kurzerhand umlackiert. Natürlich muss man auch in Afghanistan nachweisen können dass man sein Fahrzeug rechtmässig erworben hat, aber dies gilt eben nicht für jeden und nicht überall.

Für mich folgte dann eine lange Radfahrperiode ohne Fahrradverlust, danach folgte eine "gelbe-Mercedes-Benz" Periode. Der Benz gehörte faktisch dem Deutschen Klub und ich durfte Ihn immer reparieren wenn ich nach Kabul kam.

Neugierige Amerikaner

Bei einem meiner Aufenthalte in Delhi bekam ich in einem Ausländer-Klub Kontakt zu einem amerikanischem Botschaftsangehörigen, er fand meine Tätigkeit in Afghanistan hochinteressant und lud mich für den nächsten Abend in die US-Botschaft ein. Da zu der Zeit alle Auslandstelefonate von Kabul in die Welt über mich liefen, einerseits über die Anlage im Hauptpostamt und andererseits über die von mir verkauften Satphones an den Präsidenten und an Minister, interessierten sich die Amerikaner für die Telefonate vom Präsidenten Rabbani. Ob ich Ihnen nicht die Verbindungsdaten des Präsidenten zur Verfügung stellen könnte. Das kam natürlich gar nicht in Frage, denn
a) wäre es ein schändlicher Verrat gewesen und
b) wäre mein Leben dann mit Sicherheit in Gefahr gewesen.
Man hörte sich meine Meinung dazu an, meinte aber ich solle mir das nochmal ein paar Tage überlegen. Ich glaub es gab nur eine Tasse Kaffee in der Botschaft. Diesen Tag wollte ich rot im Kalender anstreichen, denn es war das erste Mal, dass ich wissentlich mit einem ausländischem Geheimdienst zu tun hatte. Man gab mir eine Telefonnummer in den USA die ich anrufen könnte wenn ich etwas mitzuteilen hätte. Tags darauf flog ich nach Kabul.

Zehn Tage später erscheint eine Amerikanerin im Deutschen Klub, das war nun sehr ungewöhnlich, denn bis dahin hatte es noch nie weibliche Journalisten in Kabul gegeben, wie mir auch Freunde aus dem Aussenministerium versicherten. Normalerweise wussten wir im Deutschen Club was unsere Gäste vorhatten und wohin sie wollten, denn jeder holte sich Rat und Information beim Manager oder den Angestellten. Im Falle der Amerikanerin war das anders, sie ging und kam ohne dass irgendjemand wusste wohin sie ging, aus fürsorglichen Gründen fanden wir das Verhalten bedenklich. Sie kam aus der Stadt in Amerika wo sich auch eine Geheimdienstzentrale befindet und ich eine Telefonnummer hatte. Eines Abends fasste ich den Mut an ihre Zimmertür zu klopfen und wurde hereingebeten. Ich fand es unschicklich in dem Zimmer zu sein, denn besonders in Afghanistan hat die Nacht tausend Augen und beeilte mich zu sagen: Ich wüsste warum sie hier ist und sie könne ihren Leuten sagen das sich meine Meinung nicht geändert hat und es beim NEIN bleibt. Entrüstet erwiderte sie, sie wäre eine unabhängige Journalistin und ich würde ihr geheimdienstliche Aktivitäten unterstellen. Davon war nun mit keinem Wort die Rede, aber ich fand das entlarvend. Sollte sie nicht wissen wovon ich sprach würde es mir nicht schaden dachte ich mir und beeilte mich aus ihrem Zimmer zu kommen.

Die Message kam sicherlich an, denn irgendwann später lernte ich Fritz Z. kennen, er war auch in Sachen Telekommunikation unterwegs. Fritz war Österreicher mit amerikanischem Pass und versuchte Satphones zu verkaufen. Ich machte mir wenig Sorgen, dass er in dem Markt Fuss fassen könnte, denn ich war bereits etabliert. Erst im Jahr 2002 als Fritz ein strategisch sehr wichtiges Unternehmen in Kabul gründete, erfuhr ich dass Präsident Rabbani sehr wohl von Ihm ein Satphone gehabt haben muss, denn er versuchte ausstehende Satphone-Rechnungen in Höhe von 60.000$ einzutreiben. Meine Satphone-Rechnungen an den Präsidenten wurden in all den Jahren mehr oder weniger pünktlich beglichen.

Reisebericht: An- und Abreise Afghanistan / KABUL im Frühjahr 2001

Anreise

Die UN-Sanktionen sehen unter anderem seit 13.November 1999 ein weltweites Flugverbot für die afghanische Fluglinie ARIANA vor. Bis Nov. 1999 konnte man von DUBAI / SHARJAH mit der ARIANA Fluglinie nach Khandahar und Kabul fliegen. Seither darf ARIANA nur noch innerlandes fliegen. Andere Fluglinien fliegen Afghanistan aus Sicherheitsgründen nicht an. Nachdem die Taliban-Bewegung alle grossen Städte unter ihre Kontrolle gebracht haben gibt es "regelmäßigen" Flugverkehr zwischen den Städten Khandahar, Kabul, Herat, Mazaar I Sharif und Jellalabad.

Eine direkte Einreise nach Afghanistan ist seit Nov. 1999 nicht mehr möglich. Daher muss man zunächst nach Pakistan reisen um von dort ins befreundete Nachbarland Afghanistan zu kommen. Ein eventuell von der afghanischen Botschaft in Berlin ausgestelltes Visum wird von der Taliban-Bewegung in Afghanistan nicht anerkannt und ist somit nutzlos. Um nach Afghanistan zu reisen benötigt man also zu allererst ein Visum für PAKISTAN. Das pakistanische Visum muss bei der pakistanischen Botschaft in Berlin beantragt werden. In Hamburg befindet sich ein pakistanisches Honorarkonsulat, auch hier kann der Visa-Antrag gestellt werden. Man benötigt 2 Passfotos, eine abgestempelte Banküberweisung in Höhe von DEM 40 ( für ein 3 Monats-Visum). Der Reisepass mit einem Antragsformular und einem Rück-umschlag nebst 20 DEM in Briefmarken wird nach Berlin gesandt. Die Bearbeitungsdauer beträgt ca. 10 Tage.

Am zweckmässigsten ist es nach ISLAMABAD oder nach KARACHI zu fliegen; von dort Weiterflug nach Peshawar. In die Abflugshalle eines pakistanischen Flughafens wird man frühestens 4 Stunden vor Abflug eingelassen. Entweder wartet man draussen vor der Halle ( nicht sehr angenehm) oder man begibt sich in ein nahe gelegenes Airporthotel. Da man meistens genügend Zeit hat, kann man dort ein paar Stunden schlafen. Im Ankunftsbereich kann man nachts einen Voucher für die kostenfreie Nutzung des Hotels bekommen. Von Islamabad kann man auch per Bus oder Taxi nach Peshawar fahren. Fahrtzeit ca. 3 Std; Preis ca. 1000 Rupees. In Peshawar ist ein mind. 2 tägiger Aufenthalt einzuplanen. Übernachten sollte man in einem preiswerten Guesthouse in University-Town. (Übernachtung ca 25 US$ pro Nacht, z.B SADAF-Guesthouse in der Chinar Road No.17 , Verpflegung ca. 10US$ pro Tag). Für die Fahrten in Peshawar chartered man am besten einen Taxifahrer für mindestens halbe Tage, der Preis hierfür sollte 500 pak. Rupees nicht übersteigen. ( 100 pak. Rupees sind ca. 2 US$).
Zunächst benötigt man von dem Afghanischen Generalkonsulat in Peshawar ein Einreise-Visum für Afghanistan. Dieses kostet 30 US$. Benötigt werden 2 Passbilder. Wer kein Empfehlungsschreiben vom Aussenministerium in Kabul hat, hat wenig Chancen ins Land gelassen zu werden! Touristen -Visa wird m.E. nicht erteilt. Das Einreisevisum hat eine Gültigkeit von 14 Tagen.

In Kabul muss man sich innerhalb von 14 Tagen bei der Visa-Abteilung des Innenministeriums ein Aufenthaltsvisum (STAY-VISA) besorgen. Das Stay-Visum wird für volle Monate erteilt. Pro Tag ist 1 US$ zu zahlen. Vor Verlassen des Landes muss man sich ca. 1 Woche vorher ein EXIT -Visa besorgen; dieses ist abgesehen von einem Trinkgeld kostenfrei. Neuerdings benötigt man für die gesamte Dauer des Aufenthaltes ein weiteres Schriftstück von dem Ministerium -auf dessen Einladung man das Einreisevisum erhalten hat- um bei Verlangen jederzeit nachzuweisen warum man sich in Afghanistan aufhält. Ohne diesem Schreiben gibt es kein Exit-Visa!
Es besteht die Möglichkeit mit einem Flugzeug des Internationalen Roten Kreuzes (ICRC) oder einem UN-Flugzeug von Peshawar nach Kabul zu fliegen; hierzu ist mit den entsprechenden Büros in Peshawar 14 Tage vorher Kontakt aufzunehmen. Das Einreise-Visum wird in diesem Fall auf dem Flughafen in Kabul erteilt. Nachdem man nun das Einreisevisum hat, fertigt man Fotokopien des Reisepasses mit dem pakistanischem und dem afghanischem Visum. Dann benötigt man eine Erlaubnis um durch die sogenannte "Tribal-Area" zu reisen. Diese Erlaubnis bekommt man im pakistanischem "Home &Tribal-Areas Department".

Diese Tribal-Area zieht sich von der Stadtgrenze Peshawar über den Khyber-Pass bis zur Grenzstation Torkham hin. In diesem "Stammes-Gebiet" leben Pashtun-Afghanen die ihre Konflikte mit Waffengewalt lösen. Hier gibt es nur das Recht des Stärkeren, diese Area ist als rechtlos zu betrachten. Es gibt hier keine Polizei. Die stark bewaffneten pakistanische Soldaten die entlang dieser Strecke postiert sind haben nur die Aufgabe die Sicherheit auf der Strasse zu garantieren. Sie sind nicht befugt abseits der Strasse in Konflikte einzugreifen. In diesem Gebiet leben Schmuggler, Drogenhändler und Waffenhändler etc. Direkt hinter der Stadtgrenze Peshawar am Beginn der Tribal-Area gibt es unzähligen Shops in denen man alle Sorten von Waffen kaufen kann. Es ist ein sogenanntes Niemandsland, die Afghanen beanspruchen dieses Gebiet für sich. Die Pakistanis halten sich weitestgehend aus diesem Gebiet heraus. Der Konflikt schwehlt seit hundert Jahren, nachdem die Engländer willkürlich die DURAND-Grenze zwischen damals INDIEN und AFGANISTAN festlegten.

Mit der TRIBAL-Area Erlaubnis geht man nun zum "Office of the Political Agent -Khyber Agency" und fordert dort einen "Guard" an. Dies ist ein bewaffneter Polizist/Soldat der einen auf der Fahrt von Peshawar bis zur Grenze begleitet. Üblicher- weise tritt man die Reise frühmorgens um ca. 7:00 an. Dazu fährt man zunächst bei der politischen Polizei vorbei und holt den Guard dort ab. Das sollte man aber am Vortage bereits vereinbart haben. Bei Ankunft in Torkham ist dem "Guard" ein Trinkgeld zu geben, im vorliegendem Falle mussten wir ihm auch die Rückreise nach Peshawar bezahlen. Von Peshawar bis zur Grenze sind es ca. 50Km. Man benötigt für die Strecke ca. 1,5 Std. Die Kosten für eine Taxifahrt dorthin sollte 1000 pakistanische Rupees nicht übersteigen. An der Grenze muss man ca. 200mtr vorher aussteigen und zu Fuss die Grenze überschreiten. Helfer für das Tragen des Gepäcks sind genügend vorhanden, man sollte aber sein Gepäck nicht eine Sekunde aus dem Auge verlieren und sich auch nicht einen Meter davon entfernen!
Auf pakistanischer Seite besorgt man sich im Passport-Office dann den EXIT-Stempel für die Ausreise. Dann überschreitet man die Grenze durch das Torkham Tor.

Im Grenzbereich ist das photographieren auch auf pakistanischer Seite strengstens untersagt , bei Zuwiderhandlung wird der Photoapparat einbehalten. Die Einfuhr von Alkohol sowie Ton- und Video-Kassetten nach Afghanistan ist strikt verboten. Fotoaufnahmen von Mensch und Tier sind nicht erlaubt. In Afghanistan kann überall mit pakistanischen Rupees bezahlt werden, ein Geldwechsel in afghanisches Geld , dem AFGHANI, empfiehlt sich daher erst in Kabul. Im Gegensatz zu Pakistan mit Linksverkehr gilt in Afghanistan wieder das Rechtsfahr Gebot.
Unmittelbar hinter der Grenze auf afghanischer Seite werden Ausländer von Taliban- Mullahs überprüft und registriert . Man bekommt dort nochmals ein Schriftstück für das 200 mtr entfernte Passport-Office. Im Passport-Office erhält man dann den Einreise-Stempel. Anschließend chartered man ein bereitstehendes TAXI (gelb), am besten eines aus Kabul, welches bereits Passagiere von Kabul bis hierher gefahren hat, dieser Taxifahrer will ja wieder nach Hause und mit Ihm kann man am besten verhandeln. Die Fahrt nach Kabul wird ca. 6-7 Std dauern, der Preis sollte nicht höher als 45 US$ sein. Üblich ist, dass man noch die Verpflegungskosten des Fahrers während der Reise übernimmt. Der Taxifahrer muss an verschiedenen Checkpoints einen gewissen Obulus für die Durchreise bezahlen. Dies ist aber im Fahrpreis schon enthalten.
Bis Jellalabad fährt man auf einer relativ guten Strasse. Die Fahrtzeit für die ca. 70 Km bis Jellalabad beträgt ca. 1,5 Stunden. Hinter Jellalabad beginnt eine Wegstrecke die nur noch als Trasse einer ehemaligen Strasse zu erkennen ist. Von Jellalabad an fährt man entlang des Kabul-Flusses, zunächst in einer flachen Ebene, später in einer engen Schlucht direkt neben dem Fluss. Die Luftlinien-Entfernung zwischen Jellalabad und Kabul beträgt 110Km. Jellalabad liegt auf einer Höhe von 500 mtr. Nach ca. 3 Std erreicht man den Ort SURUBI, der an einem Stauwerk liegt. Zwischen SURUBI und Kabul ( 2 std. Fahrtzeit) liegt ein weiteres kleines Kraftwerk, welches aber wegen Wassermangels schon seit Jahren nicht mehr arbeitet. Kurz bevor man die enge Schlucht des Kabul-Flusses verlässt und in die Hochebene von Kabul gelangt wird man noch einmal auf Ton - und Videokassetten, Waffen und Alkhohol untersucht. KABUL liegt in einer Hochebene in einer Höhe von 1800 mtr umringt von 2500 mtr hohen Bergen. Die Berge ringsherum sind bis Mitte/Ende Mai noch schneebedeckt. Im März ist es am Abend in Kabul noch recht frisch bei ca. 10 Grad Cels. Am Tage ist es sonnig warm > 20 Grad Celsius.

Abflug war am Dienstag morgen in Hamburg und die Ankunft in Kabul im DEUTSCHEN KLUB (bei internationalen Journalisten bekannt) war am Freitag nachmittag.

Abreise

Eine Woche vor der Abreise bemühe ich mich um ein EXIT VISA bei der dem Innenministerium unterstehenden Passport-Abteilung. Ohne entsprechendem Schreiben des Ministeriums welches für einen zuständig ist, kein EXIT-VISA. Da ich schon ahnte, dass ich ein Schreiben vom Telekommunication-Ministerium nicht rechtzeitig bekommen würde, versuchen wir es am nächsten Tag noch einmal, ich schicke einen Afghanen mit meinem Pass und 20 $ hin. Hat nicht geholfen. Es zeichnet sich ab, dass ich vom Telecommunication-Ministerium tatsächlich keine Erlaubnis zur Ausreise bekommen werde. Das Ministerium hat Forderungen an mich, die ich nicht anerkenne. Sie wollen von mir meine Satellitenanlage. Obwohl ich meine Abreise bereits um eine Woche verschoben hatte und ich darauf hinweise dass ich ein Gast dieses Landes bin und ich wenigstens zu unserem Osterfest (vergleichbar mit dem grossen EID-Fest der Afghanen) zu meiner Familie möchte, wollen sie mich "weichkochen". Es wird mir bedeuted, mit einer grösseren Backschisch-Zahlung in Höhe von einigen tausend Dollar an die Berater des Ministers, liesse sich doch dieses Abreise-Problem und weitere Probleme zu lösen. Ich bin ein Gefangener dieses Landes. Ich lasse mich nicht erpressen und wähle den Weg über das Aussenministerium am Ostersamstag. Ich bitte dort schriftlich um die Erlaubnis für ein Exit-VISA. Zunächst führt mich der Weg zur Internationalen Ökonomie Abteilung des Aussenministeriums. Sie sind zuständig für die ausländischen NGO´s. Da ich beabsichtige mit dem Flugzeug vom ICRC (intern. Rotes Kreuz) auszufliegen läuft sowieso schon eine weitere Erlaubnis beim Aussenministerium zur Nutzung des ICRC-Fluges bei einer anderen Abteilung, Voraussetzung allerdings wieder das EXIT-VISA . Von der Ökonomie-Abteilung bekomme ich ein Schreiben für die Konsular Abteilung des Aussenministeriums. Mit diesem Schreiben gehe ich in das erste Zimmer der Konsular-Abteilung, hier werden wieder alle Daten des Reisepasses aufgenommen, dann ins Vorzimmer des Konsuls, erneutes Schreiben, zurück ins erste Zimmer, dort wird erneut ein Antrag ausgefüllt, zurück ins Vorzimmer des Konsuls, bedauerlicherweise ist Herr Konsul nun nicht anwesend, ich möge doch ca. 1,5 Stunden warten. Es ist mittlerweile 10:30, ab 12:00 wird kaum mehr gearbeitet, der Schweiss tritt mir auf die Stirn, Panik.
Ich fahre erst mal zu meinem Büro, vom Telecommunications Ministerium wie erwartet kein Fortschritt. Um 11:30 erneut zur Konsularabteilung. Ich warte demonstrativ vor dem Gebäude auf den Konsul. Es ist 11:50 ich halte das Schreiben des Konsuls an die Passport - Abteilung in den Händen. Ich rase zur 2 km entfernten Passport-Abteilung. Gottseidank, der Beamte ist noch da, ich bekomme das EXIT-Visa. Den ganzen bürokratische Kram habe ich den ganzen Morgen allein ohne Unterstützung eines Afghanen durchgezogen, niemand sollte merken dass ich versuche ein Exit-Visa zu bekommen, niemand hatte Backschisch von mir verlangt. Vor Freude gebe ich dem Passport Beamten 20 $. Er will sie nicht haben. Er läuft hinter mir her als ich aus dem Zimmer gehe. Ich will die 20$ auch nicht haben und "verliere" den Schein auf dem Flur und flüchte vor ihm.

Am Ostersonntag morgen vor dem Flughafen, zeigt mir der ICRC-Mann die Passagierliste, mein Name ist durchgestrichen! erneute PANIK! Er wird mit seinem Chef und dem Piloten sprechen. Es stellt sich heraus , das ich als letzter bei ICRC einen Antrag gestellt habe und wohl wegen Überfüllung gestrichen wurde. Im allerletzen Moment: ich kann mit! Nochmals Passport-Bürokratismus, Formular ausfüllen, ein erneuter Stempel EXIT und Einsteigen, puhh..
Der Flug geht zunächst nach Chakcharan, ein Pisten-Landeplatz , von oben ist zu erkennen das es keine Autos in dem Ort gibt, alle gehen zu Fuss. Ein Bild wie aus einer anderen Welt . Es ist sehr kalt ca. 10° Cels. Aufenthalt ca. 20 Minuten. Danach fliegen wir weiter nach Herat. Ich treffe am Tower drei afghanische Ingenieure aus Kabul mit denen ich die VSAT Anlagen in Afghanistan installiert habe, wirklich gute Freunde. Sie sind hier wegen kleinerer Wartungsarbeiten. Die Maschine wird aufgetankt. Aufenthalt ca. 30 Minuten. Weiterflug nach Jellalabad. 10 Minuten Aufenthalt. Meine Augen suchen die von mir und meinem Sohn installierte VSAT Antenne auf dem Tower, wie in Herat. Ich bin ein bißchen Stolz darauf.

Ankunft in Peshawar./Pakistan. Mein Transportkoffer wird durchleuchtet. HALT! Meine aus Kabul mitgebrachten Souveniers sind anmeldepflichtige Waren in Pakistan. Mein diesbezügliches Schreiben von der pakistanischen Botschaft aus Kabul, ich befände mich mit den Waren im TRANSIT hilft nix. Da Sonntag ist und daher kein Costum-Officer Dienst auf dem Flughafen hat, warte ich 3 Stunden. Der Customs-Chef kommt in Zivil, wirft ein Auge drauf, fasst es unwillig an, wirft es zurück in die Kiste und bedeutet seinen Leuten, das Zeug wäre nicht antik, man könne es an jeder Ecke kaufen. Zu mir sagt er ich solle auf keinen Fall nochmal auf diesem Flughafen mit solchen Waren kommen, sonst würde ich wirklich grossen Ärger bekommen. (Anmerkung: Es hatten tatsächlich schon junge Europäer wegen eines historischen Dolches mehrere Tage im Gefängnis dort gesessen) Mein Einwand , ich bräuchte doch noch ein Schreiben wegen des Transits, kümmert ihn nicht, das Problem solle ich gefälligst in Islamabad bei der Ausreise regeln. Na das kann ja noch lustig werden!

Ostermontag früh beim Travel-Agent. Mein Ticket von Islamabad ist nicht confirmed. PIA Personal befindet sich in Bummelstreik. Man wird sich im PIA-Office nochmal persönlich kümmern, ich solle doch um 14:00 noch mal reinschauen. Bin um 14:00 wieder da. Kein Platz frei in der Maschine am Dienstag morgen. Im übrigen seien alle Maschinen für die nächsten 30 Tage ausgebucht. Alternativ wird die Strecke Peshawar-Dubai-Frankfurt mit EMIRATES angegangen. Es dauert bis 18:30 bis alles geklärt ist. Ich halte das Ticket in Händen (ca. 500US$) Abflug 10:00 in Peshawar am Dienstag morgen. Übernachtung in DUBAI, Weiterflug am Mittwoch von DUBAI nach Frankfurt.
Der Travel-Agent klärt mich über PIA auf: Als staatliche Angestellten denken sie nicht wirtschaftlich und sind äusserst korrupt. Sie buchen Passagiere mehrmals, so dass die Maschine voll erscheint. Gegen eine Bestechung wird dann noch mal nachgesehen ob irgendwie etwas zu machen ist! Schade das ich nicht persönlich da war, hätte ich vielleicht doch noch den Platz gekriegt, denn PIA und TRAVEL-Agent sind sich nicht wohlgesonnen. Ich hatte bereits einen Platz in der Vorwoche gebucht und auch erhalten, da ich aber aus Kabul nicht wegkam und den Flug nicht wahrnehmen konnte, war das PIA Personal wohl besonders unwillig. Na gut, solch korruptes Personal muss man ja nicht unbedingt unterstützen. Werde das in Deutschland mal rumerzählen! Die Maschine am Dienstag nach Ostern ist garantiert nicht vollbesetzt.
Nebenbei interessantes Gespräch mit dem Travel-Agent-Manager über pakistanisch/afghanische Politik geführt. Ich bitte ihn mir doch seine Artikel per Email zu senden (er war früher Journalist und schreibt heute noch für Zeitungen). Seine Auffassungen stimmen mit meinen Erfahrungen überein. Wir trinken zusammen einen kleinen Schluck pakistanischen Whisky, der riecht stark nach Hospital, schmeckt wie Zuckerwasser zeigt aber ungeheure Wirkung.
Ankunft am Dienstag morgen um 7:00 Uhr auf dem Flughafen in Peshawar, die Maschine fliegt um 10:00 ab. Drei Stunden vorher soll man da sein. Mein Gepäckkiste wird durchleuchtet. HALT! Aufmachen, was ist denn da drin? Ob ich nicht wüsste das alle diese Artikel sowohl in Afghanistan als auch in Pakistan auf der "Bann-Liste" stehen, Im- und Export absolut verboten sind?. Der Chef vom CUSTOM wird geholt. Diesmal ist er in Uniform, am Sonntagabend war er in Zivil. Etwas überrascht, hatte er mir doch gesagt ich solle auf "seinem " Flughafen nicht noch einmal mit solchen Gegenständen kommen. Ich entschuldige mich, da PIA ja angeblich keinen Platz für mich in Islamabad nach Frankfurt hätte und ich nun von Peshawar abfliegen müsse um Pakistan zu verlassen. Ich verspreche ihm in die Hand nie wieder mit solchem Kram hier vorbei zu kommen. Wir lächeln uns an, er wünscht mir gute Reise. Sämtliche Papiere und Gepäck werden sorgfätig in Peshawar überprüft, beinahe noch besser wie auf deutschen Flughäfen. Mit ca.1 stündiger Verspätung fliege ich nach DUBAI.

Nächtlicher Aufenthalt auf dem DUBAI´er Flughafen. Abflug ist delayed.. Reifenpanne.. um 10:30 Abflug nach Frankfurt. Ankunft um 15:30 in Frankfurt. Gepäck einsammeln. Beim Zoll halte ich vorsichtshalber an, wegen der Vorderlader-Gewehre. Man winkt mich durch, nein bei einem Warenwert von 350 DEM Souveniers braucht kein Zoll bezahlt zu werden. Ich bestehe auf Besichtigung. Alles in Ordnung, diese Waffen sind zoll und genehmigungsfrei einzuführen.
Ich hetze zum Terminal A, brauche noch einen Platz am besten auf der 16:30 Maschine nach Hamburg. Beim Vorchecken am Schalter: HALT! was ist in der Kiste? Deutlichst auf dem Monitor zu sehen : 2 Gewehre, 1 Krummsäbel, eine Wasserpfeife, eine Teekanne, sehr schönes Bild, beste Qualität und in Farbe. Der BundesGrenzSchutz muss her, wegen der Waffen. Ach Gott, nicht schon wieder!! Allgemeines Staunen über die wunderbaren Vorderlader. Meine Personalien werden aufgenommen. Abfrage über Computer ob ich als Waffenschmuggler schon bekannt bin. Nein alles ok. Ich kann wieder einpacken . Am Schalter hat man Bedenken ob meine Kiste nicht noch einmal das Interesse hinter den Kulissen beim Verladen erwecken könnte, die Zeit wäre zu knapp, es ist nur noch eine halbe Stunde bis zum Abflug, eigentlich schon zu spät für alles. Der Chef der Buchungsdame hatte den Zirkus des BGS schon mitbekommen, er erlaubt den ungehinderten Weitertransport der Kiste. Ich schliesse sie diesmal vorsichtshalber nicht mehr zu, damit jeder sofort reingucken kann.

In Hamburg angekommen, erlaube ich mir meine Waren nicht noch einmal anzumelden, ich marschiere diesmal schnurstracks am Zoll vorbei, war ja alles schon in Frankfurt durchgecheckt!
Abfahrt am Ostersonntagmorgen um 3:00 Mez in Kabul, Ankunft am Mittwoch Abend in Hamburg -Fuhlsbüttel um 17:30. Endlich wieder zu Hause.

Deutsche Botschaft Kabul 1995-2001

Am Beginn und zum Ende meines Afghanistan-Engagements wohnte ich im Stadtteil Wazir Akbar Khan, das war das sogenannte Reichen- oder Diplomaten- Viertel, dieses bestand aus sehr gepflegten grossen 1.stöckigen Häusern auf ca. 1000qm grossen Grundstücken. Vornehmlich dort wohnten die Ausländer. Bis zum Palast, dem Aussenministerium, dem Ministerium für Telekommunikation und meinem Büro im Hauptpostamt war es nicht weit. Auf dem Weg dorthin kam man auch immer an der deutschen Botschaft vorbei, welche von einer besonders hohen und dicken Mauer umfasst war. Irgendwann klopfte ich dann mal an das TOR und siehe da es wurde aufgemacht. Der Diener der öffnete sprach tatsächlich etwas deutsch. Als es noch deutsche Diplomaten dort gab, war er der Fahrer des Botschafters. Es gab noch ca. 10 afghanische Bedienstete die sich um die Pflege des Anwesens kümmerten. (drei wären völlig ausreichend gewesen dachte ich so bei mir, aber in Afghanistan zählt man anders) Die Stromzufuhr zur Botschaft war schon lange gekappt erzählte man mir, das fand ich nun einer deutschen Botschaft nicht würdig und als Fachmann war das für mich mal wieder eine Herausforderung. Also kümmerte ich mich darum. Zunächst suchte ich den Ort wo der Strom das letzte Mal gesehen wurde, dies war auf der anderen Strassenseite in einem grossen Verteilerhaus. Dort waren nur die riesigen Sicherungen weg. Die Stromversorgungsfachleute hatten sowas natürlich nicht. Ich berechnete Ihnen dann wie dick ein bestimmtes Kabel sein müsse um die Sicherung zu überbrücken und trotzdem eine geeignete Notsicherung zu haben. Gesagt getan, ab nun hatte die Deutsche Botschaft wieder Strom, wenn auch - wie alle anderen Häuser in der Gegend- nur einige Stunden am Tag. Ganz besonders erfreut waren auch die Angestellten in der japanischen Botschaft, die direkt neben der deutschen Botschaft am gleichen Stromstrang hingen und damit auch wieder angeschlossen waren. Die Bundesrepublik schuldet mir ca. 60$ die ich den Arbeitern vom E-Werk als Backschisch geben durfte.

Im Jahr 1997 übernahm Frau S. dann die Rolle des "Caretakers" für die deutsche Botschaft. Frau S. hatte wohl bis dahin einen Posten bei der UNO in New YORK. Nach Angaben der afghanischen Belegschaft herrschte sie wie ein Feldwebel. Alle wurden ständig mit Arbeit eingedeckt, besonders beklagten sich die Angestellten bei mir über Arbeiten bei sengender Hitze ohne Pause.
Was mir unangenehm auffiel war, dass Frau S. mit der weissen gepanzerten Mercedes-Benz Limousine des ehemaligen Botschafters mit aufgezogener STANDARTE durch Kabul fuhr. Den Fahrer, den ich ja kannte und daraufhin ansprach zuckte nur mit den Schultern. Bei meinem nächsten Besuch im Auswärtigen Amt in Deutschland fragte ich dann vorsichtshalber noch mal nach, ob Frau S. nicht doch noch neben ihrem "Hausmeister-Job" in Kabul weitere Aufgaben hätte. Erneut wurde mir gesagt: ZITAT: "Sie wäre dort lediglich der Caretaker und hätte keinerlei politische Aufgaben". Bei einem Gespräch mit Dr. Paktiss (Protokollchef) im afghanischen Aussenministerium versicherte mir dieser dass Frau S. sehr wohl politische Aktivitäten verfolgte. Hm.. hm.. Nun gut, dachte ich mir, wer kennt sich schon in der DIPLOMATIE aus. Natürlich behielt ich diese Angelegenheit im Auge und hielt auch meine Ohren weit auf. Die Erkenntnisse waren dann, dass Frau S. sehr intensive Kontakte zu Amerikanern hegte. Das mag ihrer früheren Tätigkeit in New-York geschuldet sein.

Beachtenswert war, dass afghanische Angestellte der deutschen Botschaft sich bei mir über SIE beschwerten. Eines Tages erschien ein afghanischer Angestellter der deutschen Botschaft völlig aufgelöst bei mir, er sei von Frau S. gefeuert worden. Nachdem ich ihn mehrfach ermahnt hatte er möge mir keine Geschichten erzählen sondern die reine Wahrheit nur dann würde ich mich für ihn verwenden, erzählte er mir unter Tränen was vorgefallen war. Frau S. und ein ihr sehr vertrauter und ergebener Diener hätten die Tür zu seinem Zimmer in seiner Abwesenheit gewaltsam geöffnet. Im Zimmer befand sich ein DIA oder Filmprojektor (genau weiss ich das nicht mehr). Ihm wurde nun unterstellt er hätte diesen der Botschaft gestohlen und wollte diesen evt. verkaufen. Der Projektor stand schon jahrelang in seinem Zimmer und jeder hat das gewusst. (Sein Zimmer befand sich innerhalb der Botschaft!) Mir wurde klar, dass man ihn unbedingt los werden wollte, die Frage war nur warum. Ich fragte nun nach INTERNAS aus der Botschaft, bereitwillig erzählte er alles was er wusste. Frau S. und ihr GETREUER verbrachten sehr viel Zeit im Keller der Botschaft und schlossen sich dort ein. Dies war natürlich ein delikates Thema welches aber genüsslich von allen Angestellten besprochen wurde. Ein paar Strassen weiter war die ehemalige Botschaft der DDR, diese sei sehr prunkvoll eingerichtet gewesen, wesentlich besser als die bundesrepublikanische. Die Sachen wurden von dort abgeholt und zum Teil in die bundesrepublikanische Botschaft verbracht oder sind auch verkauft worden. Es gab eine Inventar-Liste und die Bediensteten fragten danach und wollten eine Kopie. Frau S. soll gesagt haben: Es gibt eine Liste und die ist bei mir, dass muss genügen! Wolldecken/Fernseher/wertvolle Vasen etc. seien aus der Botschaft entfernt worden. In der DDR-Botschaft war auch ein grösserer Fuhrpark über deren Verbleib es keinerlei Unterlagen gab. Ich traute mich kaum den Angestellten zu fragen, aber es musste sein: Zu welcher Botschaft er denn ursprünglich gehörte?? Man wird es nicht glauben, aber er war der letzte der ehemaligen DDR-Botschaft. Hier nun eine kleine Pause zum Nachdenken.

Ich trug die ungerechtfertigte Entlassung dem Protokollchef Dr. Paktiss im afghanischen Aussenministerium vor. Dieser hörte den Diener nochmals an und bestellte dann Frau S. ein. Die Entlassung wurde rückgängig gemacht. Wie lange der Diener das "überlebt" hat entzieht sich meiner Kenntnis.
Ich fand es nun an der Zeit das Deutsche Auswärtige Amt schriftlich über das Verhalten von Frau S. zu informieren. Dort hatte man nichts besseres zu tun als Ihr diesen Brief zu zeigen und sie zu bitten dazu Stellung zu nehmen. Ganz grossartig, so funktioniert also Diplomatie. Ab dem Tage hatte ich in Kabul einen schwereren Stand. Ich weiss nicht was sie den "weissen Brüdern" gesagt hat, aber die hielten sich von da an von mir fern. Gerüchteweise hatte ich gehört das sie etwas von: Das ist ein gefährlicher Mann! gesagt haben soll. Auf afghanisch heisst das in etwa: Das ist ein Betrüger und Mörder. Die weissen Brüder zogen dann alsbald in die ehemalige DDR-Botschaft ein.

Frau S kehrte nun Ihren "offiziellen" Charakter als "Botschaftsangehörige" besonders hervor und war ab dann zuständig für alle deutschen Angelegenheiten. O-TON: ICH BIN HIER DER BOTSCHAFTER! Wenigsten fuhr sie jetzt im Botschafter-Mercedes ohne STANDARTE, dafür wurde aber die Flagge demonstrativ auf das Armaturenbrett gelegt. Wenn deutschsprachige Gäste in Kabul weilten (Presse, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen etc.) gingen diese gern schon mal zur deutschen Botschaft und Frau S. hielt dann ihre "Audienz" ab. Hin und wieder gab es auch Einladungen in die Botschaft, aber wer wurde nicht eingeladen? Richtig!

Nach der Sabotage meiner Anlage (wie bereits beschrieben) lernte ich den Afghanen Herrn H. kennen. er sprach schwyzer dütsch war gut bekannt mit Herrn Stocker (Schweizer) dem Chef vom ICRC und natürlich war er auch Freund von Frau S. Da ich mich verantwortlich für den deutschen Klub fühlte, führte ich Herrn H. auch im Deutschen Klub ein. Er war anfangs sehr hilfreich und ich bat ihn sich um den Klub -während meiner Abwesenheit- zu kümmern. Als ich bei meiner nächsten Anreise das Gelände des deutschen Klubs betrete traute ich meinen Augen nicht. Auf dem hinteren Gelände wo das Gästehaus stand, waren an der hinteren und linken Seite der Abgrenzungsmauer kleine "Appartements" angebaut. Diese sollten Herrn H. wohl als Einnahmequelle dienen. Entsetzt berichte ich das im deutschen Auswärtigen Amt. Der zuständige deutsche Regierungsbeamte reist an und fordert den sofortigen Abriss dieser -wie wir es nannten- "besseren Hundehütten". Leider hatte Frau S. sich dann für Herrn H. massiv eingesetzt, er hätte es ja nur gut gemeint und viele tausend Dollar investiert und er müsse zumindest sein Geld wieder heraushaben. Daraufhin wurde ich vom deutschen Auswärtigen Amt offiziell zum Geschäftsführer des Deutschen Klubs in Kabul bestellt, damit sich dort nicht weitere afghanische Verhältnisse breit machen konnten.
Anlässlich eines Besuchs beim Münchner Oktoberfest besprach ich das Thema "FRAU S." mit meinem Kontaktmann vom Dienst und seinem Chef. Der Chef sagte, offiziell könne der Dienst da nichts machen, aber ich könnte doch ein paar Gerüchte streuen, und nannte mir dann auch zwei Gründe die wirkungsvoll sein könnten. Den einen konnte ich nachvollziehen, den anderen nicht. Natürlich habe ich von den Tipps keinen befolgt, denn ICH WAR DER GUTE DEUTSCHE in Afghanistan und das wollte ich auch bleiben.

Fahrt von Peshawar nach Kabul    Freitag 23.März 2001

Die letzten 5 km Strasse vor der Grenze Torkham werden saniert. Die Baumaschinen sind eine Spende der Pakistanis. Somit wird in ca. 3-6 Monaten eine einwandfreie Strassenverbindung zwischen Peshawar und Jellalabad entstehen. Ausgehend von Jellalabad -in Richtung Kabul- wurde im letzten Frühjahr bereits die Strassensanierung betrieben. Hier wird offensichtlich kaum mehr gearbeitet, die Priorität liegt wohl jetzt an der Grenze.
Im März letzten Jahres waren in der Umgebung von Jellabad so weit das Auge reicht Mohnfelder zu sehen. In diesem Jahr absolut kein Mohnanbau, alles nur Getreide.

Es fuhren ca. 30 Lkw´s (30 Tonner) mit Weizen- Getreidelieferungen nach Kabul. Ebenso kamen ca. 30 Lkws leer von Kabul zurück. Im letzten Jahr zur selben Zeit waren es lediglich 10 Lkws pro Tag. 10 Lkws waren UN-Fahrzeuge, 10 waren pakistanische PrivatLkws und 10 waren zwar pakistanische Lkws, sahen aber aus wie eine Spende aus einem anderen Land. (SAUDIS) Da die Fahrzeuge ständig überladen sind, ist von einer Getreidelieferung von ca. 1000 Tonnen pro Tag auszugehen.
Diese Lieferungen stabilisieren die Taliban-Bewegung. Solche gewaltigen Hilfslieferungen hat es in den letzten 6 Jahren nie gegeben.

Bereits jetzt ist an den Stauseen ein enormer Wasserverlust zu erkennen , ein Stausee ist bereits völlig leer. Surubi hat im Gegensatz zum letzten Jahr(gleiche Zeit) einen um ca. 5 mtr niedrigeren Pegel am Wehr. Das Mahipar-Kraftwerk (30 km vor Kabul) arbeitete bereits seit letzten Jahre´s wegen Wassermangels nicht. Wahrscheinlich ist der Wassermangel bedingt durch die Elektrisitätserzeugung im Kraftwerk SURUBI, von dort kommt der Strom für Kabul. Tagsüber ist in den meisten Stadtteilen von Kabul kein Strom zur Verfügung. Nur in wenigen „ausgewählten" Gebieten ist am Tage Strom. Ab 20:00 ist für mehrere Std. Strom zu erwarten. Nach SURUBI kommt das fruchtbare Land der Pashtunen in der Region um Jellalabad. Auch Pakistan profitiert letzendlich von einer besseren Wasserversorgung aufgrund des schnelleren Abfluss am Kraftwerk SURUBI. Mein eigener Brunnen (in KABUL) ist im Gegensatz zun letzten Jahr von 6 mtr Wassertiefe auf 2 mtr gefallen. Im Bereich der Grosssiedlungen MACRO-RAYON sind Brunnen von mehr als 100 mtr Tiefe. Von dort wird das Wasser bereits jetzt von Tankwagen in wasserarme Stadteile gebracht und verkauft. Da die Schneeschmelze bereits begonnen hat und jetzt schon Wassermangel herrscht ist für Kabul in den Sommermonaten noch einiges zu erwarten. Die Balance zu finden zwischen Stromerzeugung und Wasserversorgung für Kabul ist der Taliban - Administration nicht zu zutrauen. Die Strompreise sind enorm gestiegen und für viele nicht erschwinglich; das Wasser wird verkauft , eine Spirale mit absehbarem Ende, da beides nicht annähernd ausreichen wird.

An der Strecke zwischen Pakistan und Kabul sind mehrere Tankstellen eingerichtet worden. Früher wurde der Treibstoff von fliegenden Händlern in kleinen Fässern verkauft. (Kommerzialisierung)

Ankunft in Kabul    Samstag/Sonntag 24./25. März 2001

Vor der Taliban Zeit waren 90% aller Autos in Kabul linksgelenkte KFZs, schätzungsweise fuhren damals ca. 5000 Autos in Kabul. Nachdem die Taliban kamen, verschwand ein gross Teil der Privat-Pkws. Sie wurden verkauft, gestohlen und in andere Gegenden verbracht. Noch im letzten Jahr waren fast nur TAXIs und die Pickups der Taliban in Kabul zusehen. Die heutigen PKWs sind ausnahmslos rechtsgelenkte (japanisch). In den Morgenstunden zur Rushhour entstehen schon an neuralgische Punkten Verkehrsstaus. Die Anzahl der Autos dürfte die 5000er Marke wieder überschritten haben. Augenfällig ist die Anzahl der von Saudi Arabien „gelieferten" Pickups für die Taliban-Bewegung. Es soll sich um Lieferungen von mehreren Tausend Fahrzeugen handeln. Die rechtsgelenkten Fahrzeuge in Kabul dürften heute einen Anteil von ca. 70% haben. Es stellt sich bereits die Frage wann in Afghanistan der Linksverkehr , wie in Pakistan, eingeführt wird.

Die Versorgungslage für Lebensmittel hat sich im Gegensatz zum Vorjahr wohl verbessert, jedoch sind die Preise gestiegen. Die Arbeitslosenquote ist gestiegen. Die Taliban haben, Kraft ihrer Macht, den Handel weitestgehend unter sich aufgeteilt und machen heute Geschäfte. Offizielle Amtssprache ist seit Beginn der Taliban-Zeit PASHTU, Farsi wird immer mehr zurückgedrängt. Das pakistanische Geld der KALDAR hat den AFGHANI bereits vom ersten Platz verdrängt. Alle Güter kommen ausschließlich über Pakistan ins Land.

Im letzten Jahr waren allabendliche Überwachungsflüge mit Propeller-Maschinen über Kabul und Umgebung noch die Regel. Solche Flüge finden nicht mehr statt. Auffällig sind statt dessen tagsüber Flüge mit Jet-Aufklärern über Kabul. Dieser Flugzeugtyp ist neu in Kabul und wurde von mir auch im letzten Jahr auf keinem afghanischem Flughafen gesichtet. Wahrscheinlich pakistanischer Herkunft, weil die Farbgebung der Jets denen der in Peshawar stationierten verblüffend ähnelt. Die Versorgung der Flugzeuge -sowohl der militärischen als auch der zivilen- mit Treibstoff ist unerfindlich und selbst bei meinem mehrmonatigen Aufenthalt auf den verschiedenen afghanischen Flughäfen nicht mal im Ansatz ergründbar.
(Nachgefragt: Der Nachschub kommt über Quetta/Pakistan und Khandahar nach Kabul)

Die Geschäftswelt ist lebendiger und bunter geworden ( Reklame Schilder) und dürfte den Stand von 1994 wieder erreicht haben. Die einzigen uniformierten sind die Verkehrspolizisten, sie sind nicht mehr als 50 Personen. Sie haben alle Wirren der letzten Jahre überstanden, sie sind mir mittlerweile alle bekannt. Die religiöse Polizei ist in zivil und manchmal an ihren Stöcken erkennbar.

Im Hauptpostamt befinden sich die drei international tätigen Telekommunicationsgesellschaften wie HCV (deutsch) , AWCC (amerik/british) und die Pakistanis mit ihren Anlagen. Alle Bazaare und parkenden Autos wurden aus unmittelbarer Nähe verbannt. Es finden Leibesvisitation beim Betreten des Geländes statt.

Lebenshaltung     Montag 26.März 2001

Afghanen die eine Anstellung beim Staat besitzen ( Arbeit haben sie dadurch aber meistens auch nicht!) bekommen heute ca. 1.ooo.ooo Afghani. Der Dollarkurs ist 1:75.000 dementsprechend ist das Einkommen ca. 15 US$ pro Monat.

Ausländer bezahlen den afghanischen Dienern/Angestellten ca. 50US$ pro Monat. Afghanische Fachkräfte werden von den Ausländern mit 100 US$ bezahlt. ICRC und die UNO bezahlen überdurchschnittlich hoch. Ein Professor an der Universität bekommt zwischen 2 -3 Mio. Afghanis. Taliban bekommen zusätzliche Vergünstigungen.

Eine durchschnittliche Familie besteht aus 7 Personen. Der Geldbedarf für diese Familie dürfte nach unserer langjährigen Erfahrung bei heute ca. 75 US$ pro Monat liegen.

4 Einschreibbriefe ins Ausland oder ca. 15 Minuten telefonieren beanspruchen das gesamte Gehalt.

Eine Kilowattstunde kostet 3000 (5 cents) Afghanis. 300 Kwh werden einer normalen Familie pro Monat berechnet, jedenfalls zeigen die Zähler dies an. Dies dürfte anbetracht des geringen Stromverbrauchs unrealistisch sein. Hier wird offensichtlich betrogen. Der max. Verbrauch dürfte bei ca. 3 Kwh / Tag liegen. Ausländer bezahlen für die Kwh den doppelten Preis.

Eine Schachtel Zigaretten kostet 45.ooo (60 cents) Afghanis. 10 ltr Benzin kosten 300.000 Afghani; 10ltr Diesel kosten 200.000 Afghani . 1 Sack (50kg) Mehl kostet 1.800.000 Afghanis (reicht für eine Familie ca. 1 Monat)

Die Hauptnahrung besteht aus Brot, Zucker, Tee und Reis . (3x am Tag) Fleisch gibt es normalerweise nur einmal pro Woche.

Illegale Einwanderung nach Europa/Deutschland      Dienstag 27.März 2001

Es gibt zwei Hauptwege aus Afghanistan heraus, einer führt über Usbekistan der andere über Turkmenistan. Turkmenistan wird häufig im Zusammenhang mit Gebrauchtwagen-Lieferungen aus Europa durchreist. Die Deutsche Botschaft in Turkmenistan soll von Afghanen die ein Visum beantragen eine Garantiehinterlegung von 3000 US$ verlangen. Bei Rückkehr wird diese zurückerstattet.

Der Weg nach Usbekistan soll über Panschir-Tal führen. Von Usbekistan geht der Weg dann nach Moskau. Von Moskau nach Tschechien. Dort nächtlicher Übergang nach Deutschland. In Deutschland evt. erneute Weiterschleusung nach Holland, Frankreich,Dänemark und England. In jedem Durchgangsland gibt es organisierte Schleuserbanden. Die Schleuserpreise: bis Usbekistan 1000US$, bis Moskau 3000US$, Moskau-Tschechien 3000US$, Deutschland 5000US$. Insgesamt also ca. 12.000 US$ pro Person für die illegale Schleusung nach Europa. Reisezeit: 4-8 Wochen.

Pass und Visumspflicht für alle Afghanen bei Einreise nach Pakistan.

Bisher konnte ein Afghane ohne Papier nach Pakistan einreisen. Die Pakistanis haben dies jetzt geändert. In Kabul werden täglich 300 Pässe ausgestellt. Ein Engpass an Pässen ist schon entstanden. Das erforderliche Visum wird von der pakistanische Botschaft in Kabul ausgestellt. Es ist ein einträgliches Geschäft. Die Bearbeitungszeit beträgt 3 Tage. An der Grenze ist wohl noch ein Übergang ohne Pass möglich, aber mit Schmiergeldzahlungen auf beiden Seiten verbunden.

Pakistan will von den Taliban offensichtlich eine Anerkennung der DURAND Linie erreichen. Dazu muss zunächst einmal das Hoheitsgebiet auch bis zu dieser Grenze ausgedehnt werden und die Grenze „zementiert" sein. Bisher hört das Hoheitsgebiet bei Peshawar auf. Eine Beendigung des Grenzkonfliktes zwischen Afghanistan und Pakistan ist aufgrund der Abhängigkeit Afghanistans von Pakistan nur mit den Taliban möglich.

In Pakistan werden weiterhin in Koran-Schulen tausende von Talibans ausgebildet und nach Afghanistan entlassen. Es wird gemunkelt das die an der Frontlinie kämpfenden Taliban-Krieger gar keine richtigen Afghanen sind, sondern diese alle aus Pakistan kommen. (Pashtunen)

Der pakistanische General Musharav soll jetzt gerade gesagt haben: Pakistan ist garnicht in der Lage Afghanistan den Support zu geben den es erhält, das Geld käme aus Amerika. (wohl war!) Pakistan befürchtet nun auch ein Übergreifen der religiösen Eiferer. Amerika scheint diese Region „unifizieren" zu wollen, um damit einen grösseren Einfluss hier zu gewinnen (Siehe auch IATA-Pläne). Im Moment führt dies zu einer Destabilisierung. Pakistan scheint dem gegen zu steuern. Eine Taliban-Vertretung soll in den USA gerade wieder eingerichtet worden sein, es werden Gespräche geführt. Tendenziell ist es wohl so, dass gerade auch in Saudi Arabien der fundamentale religiöse Einfluss zunehmend an Macht gewinnt, Afghanistan bekommt daher auch sehr viel Support von dort. Afghanistan erscheint mir im Moment ein Experimentierfeld zu sein.

Die Taliban -Bewegung erklärt : Andere Länder der Welt produzieren Waren und Technik, wir werden der Welt das religiöse HEIL bringen, dies ist unsere Aufgabe in der Welt.

Afghanistan produziert nichts, seine Argrarwirtschaft ist nicht in der Lage die gesamte Bevölkerung zu ernähren, es exportiert auch keine nennenswerten Rohstoffe. Es hängt am Tropf der Welt.

Mädchenschulen

Ich habe jemandem vom Planning Ministry zu mir eingeladen um von Ihm zu erfahren, ob eine Non Government Organisation Mädchenschulen fördern kann. Ja, es würde sogar sehr gern gesehen!!
Es gibt wohl auch kleine private geduldete (Home)-Mädchenschulen. Bisher gab es die NGO COFAA (Herr Schwittek), die ihre Arbeit eingestellt hat oder musste (?)
Selbst Taliban und Mullahs hatten ihre Mädchen dort hingeschickt und waren prinzipiell froh darüber, das ihre Mädchen etwas lernen. Einschränkung (bei Mädchen) ist allerdings, dass der Unterricht in einer Moschee stattfindet. Die Mädchen können solange zur Schule gehen , wie sie noch nicht „geschlechtsreif" sind, oder zumindest noch nicht fraulich aussehen (10-12Jahre alt). Die Fächer sind relativ frei wählbar, sofern es genügend Lehrer dafür gibt. Es darf keine weiblichen Lehrer geben. Der Mullah unterrichtet in Religion. Die Lehrer werden auf ihre Eignung vom Ministerium überprüft. Einem Antrag auf eine dementsprechende NGO würde man sich sehr freuen, man drängt mich sogar alsbald damit zu beginnen. Ich hatte angeboten , mich für diese Sache in Deutschland einzusetzen .

Air Traffic Control Upgrade Project    28.März 2001

Ich besuche Mr. ALAMI, den stellvertretenden Minister und Technical Minister des Aviation & Transport Ministeriums. Er bestätigt, dass das von uns im letzten Frühjahr installierte Air-Traffic-System ohne Probleme läuft. Das Aviation Ministry steht einem Ausbau der VSat-Anlage zu einem innerstädtischen Telefonsystem positiv gegenüber, ich möge dem Telekommunication Ministry die entsprechenden Vorschläge dazu unterbreiten. Dazu ist es dann auf Grund der weiteren politischen Entwicklung nicht mehr gekommen.

Das ATC-System besteht aus einem Netzwerk von Satelliten-Kommunikations-Anlagen zunächst nur auf afghanischen Flughäfen: Kabul, Khandahar,Herat, Mazaar i Sharif und Jellalabad. Afghanistan überfliegende Flugzeuge meldeten sich bei dem nächstgelegenen Flughafen an, von dort wurden die Daten und der Sprechfunkverkehr über Satellit an die Zentrale in Kabul übertragen. Nur dort sassen qualifizierte Fluglotsen. Desweiteren waren somit alle Flughäfen untereinander kommunikationsmässig verbunden.

Auftraggeber für das Air-Traffic-Control-System war die IATA (Mr. Gary D., Singapur), Lieferant NORTEL DASA (Friedrichshafen).
Die Amerikaner haben dieses Projekt gewollt, konnten es aber auf Grund der politischen Lage nicht selbst projektieren. Da bietet sich die oberste Flugbehörde IATA als Auftraggeber und ausführende Instanz an. Gary D. als Angehöriger der IATA (SINGAPUR) war mir bereits bekannt durch verschiedene Besuche in Kabul. Gary D. war bereits in den 80er Jahren in Kabul bei der UN beschäftigt und kannte sich also gut in Afghanistan aus. Das Netzwerk besteht aus Anlagen auf afghanischer Seite und den Stationen Karachi und Lahore auf pakistanischer Seite. Geplant sind noch weitere Stationen in den anderen Nachbarländern. (Vertragsreif bis dato: Duschanbe, Tashkent und Teheran). An diesem Konzept ist zu erkennen das hier alle unterentwickelten mittel-asiatischen Länder in ein Flugüberwachungssystem eingebunden werden sollten. Zuerst hatte ich mich gewundert und gefragt welcher Idiot hat geplant die System-Zentrale in KABUL zu installieren, wo am wenigsten Infrastruktur war, später wurde mir klar warum.

Das Satellitensystem wurde von NORTEL-DASA (ehemals DORNIER, Friedrichshafen) geliefert. Bezahlt worden ist das Projekt von den eingefrorenen Geldern der Überflugrechte für Afghanistan. Dieses Geld wurde in Genf verwaltet. Die Verträge wurden anscheinend auch dort abgeschlossen. Projektmanager war Mr. Gary M. (Australier, angeheuert von IATA) Gary M. hatte -wie er mir erzählte- bereits einige Missionen für Amerikaner in sensiblen Gebieten geleitet. Da nun die Amerikaner auf keinen Fall als Initiator dieses Projektes in Erscheinung treten wollten, musste deshalb deutsche, norwegische und japanische Technik und deutsche, norwegische und australische Spezialisten her. Es gab Anweisung für uns, dass jeglicher Hinweis auf USA als Ursprungsland, sei es in Büchern, in der Software oder an Hardware zu eliminieren sei. Dies ging soweit das der Aufkleber an Netzkabeln "Made in USA" entfernt werden musste. Wäre irgendetwas schief gegangen bei dem Projekt hätten die Amerikaner ihre Hände in Unschuld gewaschen. In unserem Subcontractor-Vertrag mit NORTEL_DASA wurden wir zu absolutem Stillschweigen verpflichtet. Das letzte Equipment für dieses Projekt wurde am letzten Tage vor Inkrafttreten der UN Sanktionen am 12.Nov. 1999 mit ARIANA Airlines von DUBAI nach Kabul geflogen. Ich flog auch mit in dieser Maschine (hatte gerade Geburtstag).

Das Projekt umfasste die totale Erneuerung der elektrischen Anlagen nebst Notstromversorgung (incl. Möbel, Gardinen etc.) im jeweiligen Flughafen- Tower, die Lieferung neuester Satellitentechnik, Computeranlagen und den Funkgeräten für den Flugfunkverkehr auf allen afghanischen Flughäfen. Sämtliche zur Installation benötigten Werkzeuge und Materialien wurden im Rahmen dieses Projekts wohlweislich von Gary M. nach Afghanistan importiert. In dem Projekt stecken ca. 24 Mann-Monate der verschiedensten Spezialisten; ca. 10 Afghanen waren als Helfer ständig involviert. Die Aufgabe meiner Firma war es die Systeme zu installieren. Den besten Ingenieur den ich kannte und der schon Afghanistan-Erfahrung hatte war.. mein Sohn, ihn engagierte ich als CHEF-Ingenieur. Somit bauten VATER und SOHN gemeinsam das gesamte Netzwerk in Afghanistan auf. Gary M. als Projektmanager sorgte dafür dass die Infrastruktur für die Anlagen erst mal geschaffen wurde. Die Zusammenarbeit mit ihm war nicht immer reibungslos aber erfolgreich.

Gary M. deutete einmal an, dass die ersten ausländischen Flugzeuge die auf afghanischen Flughäfen landen werden, amerikanische Maschinen sein könnten. Mir war das natürlich auch klar, wozu bauten wir es denn sonst auf ?

Afghan Wireless Communication Company

Ein amerikanischer Staatsbürger hat am 2.Okt.1998 innerhalb eines Wochenendes in Kabul einen Exklusiv-Vertrag für Telekommunikation für die nächsten 15 Jahre abgeschlossen mit einem anfänglichem Investitionsvolumen von 180 Millionen Dollar und einem Gesamtvolumen von 400 Millionen Dollar. ( für eine nicht existente Firma in USA, ich hatte das von der Deutschen TELEKOM recherchieren lassen) Ich war zur gleichen Zeit in Kabul, hatte aber an den beiden Tagen davon nichts mitbekommen. Die kompletten Vertrags-Unterlagen wurden mir eine Woche danach zugespielt auch die späteren Vertragszusätze bekam ich geliefert.

Wenn man bedenkt das meine Vertragsverhandlungen 6 Wochen dauerten - für eine viel kleinere Investition- kann man sich denken welche Backschisch-Summen da geflossen sind. Welche Quelle dahintersteckt kann sich jeder selbst denken. Drei Jahre tat sich dann in der Angelegenheit nichts. Bis die Taliban-Regierung etwas unruhig wurde und Druck ausübte. Daraufhin wurde 2000/2001 eine Anlage installiert die einen Wert von max. 600.000 DM hat und z.T. aus den Beständen der DETESAT stammt. Da es die amerikanische Vertrags-Firma offiziell nicht gab, haben die USA dann den -mit den Taliban ausgehandelten- Vertrag zur Ausführung an die Engländer übergegeben. Das Gateway befindet sich in London. GLOBAL-ONE (Deutsche Telekom, Dr.St. BerlinOst,DETESAT) mit Sitz in London war scheinbar die Projektierungsfirma. DETESAT war auch der Service-Provider für meine Anlage in Kabul, mit keinem Sterbenswörtchen hat DETESAT mir gegenüber etwas erwähnt.Ein engl. Lord (General des MI5) hatte sich der Sache angenommen. Wie ich seinen Sohn kennenlernte folgt später. Die Betreiber-Firma hatte letztendlich ihren Sitz in Luxemburg. Der anfängliche Name AWCC der Gesellschaft besteht heute noch, nach dem Jahr 2001 flossen dann wirklich zig Millionen in diese Gesellschaft für den Aufbau eines Cellular-Netzes in Afghanistan. Das haben sich die USA nun etwas kosten lassen, sicher nicht wegen des zu erwartenden Gewinns.

An einem weinseligen Abend anlässlich eines Seminars bei NORTEL DASA in Fischbach am Bodensee im Hotel Traube sagte Gary Dennison: Damit haben „wir" den gesamten Kommunikationssektor in Afghanistan in der Hand. Wen er wohl mit "WIR" gemeint hat? SICH und MICH ?

ATC-Projekt Kabul-Flughafen  

Der Aufbau des ersten Systems war natürlich auf dem Kabuler Flughafen denn dort sollte die Master-Station des Netzwerks sein. Grössere Umbauten wurden im 1.Stock -wo die Fluglotsen bisher sassen- durchgeführt. Ein abgeteilter Technikraum entstand. Mauerdurchbrüche für die Verkabelung zum aussenstehenden Generator und für die Air-Condition-Anlagen wurden vorgenommen. Die erste Etage wurde grundüberholt. Gary M. der Projektmanager hatte Stühle, Schreibtische, Teppichböden und Gardinen mit importiert. Gary hatte sich auch nicht darauf verlassen das Werkzeuge in Kabul vorhanden waren, klugerweise hat er alles Werkzeug mitgebracht. Der Tower befand sich im 4. Stockwerk. Die Toiletten waren vom Treppenhaus aus zugänglich und wiesen eine kuriose Besonderheit auf. Üblicherweise bücken sich die Afghanen bei Ihrem Geschäft und setzen sich nicht wie wir Europäer auf die uns bekannten Wasser-Closetts. Hier waren die Kloschüsseln daher bis zum oberen Rand komplett einzementiert so das man sich bequem darüber hocken konnte. Für uns war das nun nicht so bequem. Ob in Afghanistan, Pakistan oder Indien überall sah man das die Leute sich AUF den Rand der Kloschüsseln mit den Füssen stellten, wie sie es von Zuhause auf dem Feld her kannten. Das Problem ist natürlich das der Rand der Sitz-Kloschüsseln recht schmal ist um darauf zu stehen, abgesehen davon kann man auch sehr schlecht "zielen" und das meiste fällt deshalb daneben, wo es einfach liegenbleibt. Die Suche nach einer sauberen Toilette ist daher in diesen Ländern reine Glückssache.

Die Satelliten-Antennen platzierten wir auf das Vordach der Eingangshalle direkt neben dem TOWER und zwar so, dass sie vor Beschuss bestmöglichst geschützt waren. Bei dem Aufbau der Antennen kam es zwischen Gary M und mir zum Eklat. Das Problem war eine leichte Dachschräge. Der Antennenfuss musste aber waagerecht stehen damit der Mast senkrecht steht, sonst konnte man die Antenne nicht fachgerecht ausrichten. Also unterfütterten wir den Standfuss an drei Seiten bis der Mast senkrecht stand. Gary M. war nun der Meinung man könne die Satelliten Ausrichtung auch vornehmen wenn der Mast nicht exakt senkrecht steht. Prinzipiell war das zwar richtig, praktisch aber viel schwieriger (nach Handbuch wäre das Einstellen dann kaum mehr möglich gewesen). Ich weigerte mich es anders zu machen und drohte damit die Installation abzubrechen. Ein oder zwei Tage führten wir erstmal andere Arbeiten durch bis der Rauch verzogen war, und dann wurden die Antennen doch so aufgebaut wie es richtig ist. Gary M. war sonst sehr penibel in seinen Arbeiten, um nicht zu sagen pedantischer als wir GERMANEN, aber hier wollte er nur zeigen wer der BOSS ist.

Nur in Kabul wurden 2 Antennen aus Redundanz-Gründen installiert. Auf allen anderen Flughäfen war eine Antenne ausreichend. Selbst wenn die MASTER Station ausfallen sollte, konnte eine andere Station die MASTER-Funktion automatisch übernehmen, so dass kein Netzwerk-Ausfall entstehen konnte. Bei der Installation wurden von uns afghanische Ingenieure mit eingearbeitet. Handwerklich waren sie nach kurzer Zeit fit, Sorgen machte ich mir über die Fähigkeit zur Bedienung der Anlage und der evt. Fehlersuche bei Ausfall von Geräten. Die Konfiguration des Systems war auch für uns Fachleute nicht trivial. Irgendwann lief das Master-System in Kabul und wir machten uns auf nach Khandahar um dort die nächste Station aufzubauen.

ATC-Projekt Khandahar-Flughafen  

Der Flug nach Khandahar führte zunächst nach Jellalabad, erstaunlich war für mich, dass man uns nicht wie üblich als VIP nach vorne ins Flugzeug setzte sondern nach hinten. Also schloss ich daraus es musste noch wichtigere Leute geben. In Jellalabad kam ein Konvoi von Fahrzeugen mit Blaulicht aufs Rollfeld gefahren und ca 5 Afghanen in afghanischer Festtagskleidung stiegen vorne ein und 5 weitere Personen scheinbar Bodyguards flogen mit uns nach Khandahar. Ich tippte auf Drogenbarone. In Khandahar wurden sie am Flughafen abgeholt und in die Stadt gefahren die etwa 10Km entfernt ist, spät am Nachmittag kamen sie zurück und flogen wieder ab. Normal waren zu dieser Zeit etwa 2-3 Starts und Landungen pro Woche auf dem Flughafen Khandahar. An einem Ende des Flughafens standen 5 Düsenjets, ob die einsatzbereit waren, war nicht ersichtlich.

Uns wurde ein Quartier in der Nähe des Flughafens avisiert, jedoch bedauerte man, es wäre erst ab morgen verfügbar, sehr merkwürdig. Daher verbrachten wir die erste Nacht auf dem Flughafen. Man führte uns in eine Lobby und mir verschlug es dort die Sprache. Hier waren Polstersessel, Teppiche und Ausstattung wie Kühlschrank und Licht, alles vom feinsten. Ein junger Afghane servierte uns Coca-Cola. Nirgendwo in Afghanistan hatte ich je sowas zuvor gesehen. In Kabul hatte die VIP-Lounge auch ein paar verschlissene Sessel aber nicht den Luxus wie hier. Für wen war das hier ? Wir übernachteten dann auf den Sofas in der Lobby.

Am späten Abend verspürte ich ein dringendes Bedürfnis und schlich nach draussen um eine Ecke, gerade wollte ich zur Tat schreiten, hörte ich in nächster Nähe das Durchladen von Waffen und jemand trat in der Dunkelheit nah an mich heran. Eine weitere Person kam hinzu und leuchtete mit einer Petroleum-Lampe. Ich konnte den beiden klar machen das ich nach Toiletten suchte. Einer verschwand darauf wieder in der Dunkelheit, der andere bedeutete mir ihm zu folgen. Wir kamen an einem Trakt vorbei, in dem eine Notbeleuchtung brannte und drinnen war eine medizinische Einrichtung. Ich hatte schon Krankenhäuser in Afghanistan von innen gesehen, aber dies hier war neueste Technik. Auf einem Provinzflughafen -wie Khandahar es war- gehörte sowas nun wirklich nicht hin. Ich fragte den Bewaffneten was das hier ist und er murmelte was von PRIVAT-Hospital. Nun wollte ich mir das Hospital durchs Fenster genau ansehen, aber er zerrte mich fort zu den Toiletten, diese entsprachen dem landesüblichen Standard.

Nun konnte ich mir einen Reim auf alle diese Besonderheiten machen, dem Gästehaus was noch besetzt war obwohl weit und breit kein Mensch hier arbeitete und der Flughafen fast nicht in Betrieb war, der aussergewöhnlichen Lobby die nach arabischem Geschmack ausgestattet war und dem Privat-Hospital welches anscheinend für Notfälle ausgerüstet war. Alles konnte nur bedeuten das sich OBL häufig hier aufhielt. Die Stadt Khandahar war bekanntlich einige Kilometer entfernt und dort gab es sicher solche Einrichtungen nicht. Natürlich musste OBL und /oder seine Mannen für die Zeit wo wir auf dem Flughafen arbeiteten sich zurückziehen. Am nächsten Tag wurden wir zu dem Quartier per Auto gebracht es war ca 3km entfernt hatte mehrere Zimmer und einen Herbergsvater.

Mein Sohn handelte sich nach 2 Tagen eine Diarrhoe ein und wir legten ihn dann in die Lobby um sich dort auszukurieren. Scherzhaft sage ich noch heute zu ihm: Du hast mit OBL auf einem Sofa gesessen.

Das grösste Problem war auf allen Flughäfen die fehlende oder unregelmässige Stromversorgung, so dass überall Backup-Batterien eingesetzt wurden um die Anlagen für einige Stunden in Betrieb zu halten und sie kontrolliert herunterzufahren. Wenn die Batterien drohten leer zu werden mussten die Leute vor Ort einen Diesel-Generator anwerfen. Nach ein paar Tagen lief auch die Station in Khandahar und unser Jubel war gross das wir es wieder mal geschafft hatten, waren aber auch froh uns in Kabul für ein paar Tage von den Strapazen erholen zu können.

ATC-Projekt Herat-Flughafen  folgt

ATC-Projekt Jellalabad-Flughafen  folgt

Der 11.September 2001 hätte ein Tag wie jeder andere sein können, wenn...

Besuch im und vom Aussenministerium   Dienstag 27.März 2001

Das Parken in unmittelbarer Nähe vor dem Hauptgebäude ist seit dem letzten Jahr verboten. Das Haupttor ist geschlossen. Offenbar besteht die Angst vor Anschlägen. Der erste Protokoll-Chef (Dr. Paktiss) des Taliban-Regimes ist abserviert, er leitet nun die internationale Kulturabteilung. Ebenso der altgediente Diplomat Amin Asis (versteht Deutsch) gehört nun zur Kultur-Abteilung. Der Aussenminister Muthawakil wünscht die Belebung der Kulturbeziehungen zu Deutschland/Europa, wird mir aus der Kulturabteilung zugetragen.

Im Aussenministerium ist eine strenge Organisation eingetreten. Es gibt eine Abteilung Cyphering & Code im Aussenministerium. (das ist neu, gab es früher hier nicht)
Einen gemäßigten Taliban (Internationale Beziehungen) habe ich privat eingeladen, „Sein Herz" hat viel zu erzählen. Sein Einfluss ist gross, er besitzt nach dem Minister ein entsprechend wichtiges „Zimmer". Er war mal stellvertretender Protokollchef, wurde dann zurückgesetzt, ist jetzt wieder ganz vorn.

Am darauf folgenden Montag (2.April 2001) kommt Mr X vom Aussenministerium zu mir und eröffnet mir er sei gar kein TALIBAN. Im Scherz sage ich ihm: Du siehst aber aus wie einer von Ihnen mit dem schwarzen Turban und der afghanischen Kleidung. Er ist ein studierter Mann und kein Fundamentalist, er denkt an Afghanistan und dass was das Volk wünscht. Er wäre längst nicht mehr hier, wenn sein CLAN ( es ist ein sehr grosser und bekannter) ihn nicht dazu gedrängt hätte an der Spitze dieser Bewegung auszuharren und gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
Der Taliban-Geheimdienst ist strikt gegen Pakistan. Sein Geheimdienst hat ihn bereits gewarnt, gegenüber Pakistan vorsichtig zu sein, damit ihm nichts passiert. Bevor er zu mir kam, hätte er mit dem Aussenminister über diesen Besuch gesprochen, der hätte gesagt, Mr. X könne auch in seinem Namen sprechen, ich möge nur verstehen, das der Minister selbst nicht kommen kann.
Mr X bestätigt dass die Amerikaner an der Taliban -Bewegung festhalten und weiterhin unterstützen und die Lage destabilisieren. Selbst in seinem Aussenminsterium gibt es Abteilungen die von USA „gesponsort" werden.
Er zeigt den Weg auf , wie die Taliban -Bewegung hinfort gejagt werden kann. Auch wenn von aussen keine Hilfe kommt, wird man an der Vorbereitung eines Aufstandes der Stammesältesten weiterarbeiten.
Das Volk will die Taliban, Hekmartyas, Massouds , Dostoms etc. nicht mehr. Diese haben nur immer an Ihre Macht gedacht, und die Afghanen in Pashtunen, Tadshiken, Hasaras und Usbeken geteilt.
Die Stammesältesten in Groß Paktikar (die drei Provincen: Paktika, Paktya und Chazni) haben keine Angst vor den Talibans, sie können diese innerhalb von Stunden fortjagen. Man würde den Taliban eine Frist von 24 Stunden einräumen und Sie würden tatsächlich flüchten. Nur von dieser Region (Pashtu) ist eine Befreiung des Landes von Taliban möglich. Von hier aus wird die Welle das Land erfassen und andere Stammesältesten würden sich dem anschliessen. Es geht nun darum diesen Prozess der Meinungsbildung bei allen anderen Stammesältesten zu unterstützen. Leider gibt es kein Land welches hier Hilfestellung anbietet.
Viel Geld würde im Ausland „verpulvert" den Afghanische Konflikt zu lösen, alle diese ausländischen Bemühungen würden niemals zu einer Lösung beitragen. Diese Anti-Taliban Bewegung hat die Selbstbestimmung des Volkes zum Ziel. Sie ist keine Partei und will auch nicht die Macht. Alle Stammesältesten werden eine sogenannte Loya Yirga abhalten, alle Gruppen werden berücksichtigt. Das Volk erhält damit die größtmögliche Souveränität zurück, die in Afghanistan möglich ist.

Der im Exil lebende afghanische König Mohammed Sahir Sha könnte als Integrationsfigur den Wandlungsprozess beschleunigen. Alle Gruppierungen sind zwar der Meinung dass der alte König oder sein Sohn, intellektuell nicht in der Lage sind etwas für das Volk zu tun. Es kommt nun aber auf die wirkliche Befähigung gar nicht an, entscheidend ist die Präsenz der Königsfamilie in Afghanistan! Man müsse Sie zunächst nach Paktikar bringen, dort wären Sie am sichersten unterzubringen. Die Königsfamilie -als Symbolfigur- ist die Initialzündung für den Aufstand der Stammesfürsten landesweit. (d. Verf.: Im Grunde ihres Herzen wünschen sich ALLE Afghanen den König zurück, Afghanen brauchen einen FÜHRER)

Mr. X möchte mich -zum Beweis der Glaubhaftigkeit- mit weiteren einflussreichen Afghanen zusammenbringen die diese Pläne unterstützen. Diese befinden sich aber in Islamabad. Ich lehne dies ab, weil es zu gefährlich wäre. Eine Möglichkeit wäre ein gemeinsames Treffen in einem anderen Land. Er müsse aber Krankheit vortäuschen, sonst könne er nicht reisen. Ich bitte ihn um Nennung von Namen, er sagt dies für einen späteren Zeitpunkt zu.

Mr. X befürchtet, dass das Gebiet Gross Paktikar abgeriegelt werden könnte, wenn dort die Auflehnung der Stammesältesten beginnt. Für diesen Fall wünschte er humanitäre Hilfsmassnahmen in diesen Gebieten, um den Menschen dort Mut zu machen. Man müsse für den Ernstfall mit Lebensmittellieferungen und anderen Hilfsleistungen etc. rechnen können. Die Taliban haben unsere „Geschichte" schlecht gemacht. Pashtunen distanzieren sich bereits von Taliban.

Mr. X fragt mich eindringlich ob ich in der Lage bin seine Ausführungen an die richtige Adresse in Deutschland zu bringen, ich kann. Er und ich sind mit diesem Wissen in sehr grosser Gefahr.
Für den Fall, dass einmal eine freie afghanische Fahne weht, wünscht er die deutsche Fahne daneben zu sehen.

Am Sonntag darauf (8.April) besucht mich Mr. X erneut, im Gegensatz zum ersten Besuch, der heimlich stattfand, kommt er diesmal mit Dienstfahrzeug, Fahrer, Bodyguard und weiterem Begleiter. Seine Begleiter bleiben auf unserem Hof im Fahrzeug sitzen und betreten das Haus nicht. (die ehemalige österreichische Botschaft, auf dem Dach weht die Deutsche Flagge)
Erneut bestätigt Mr X. das unser Treffen mit Wissen des Außenministers stattfindet und benennt nun einen der wichtigsten Männer aus Paktikar, er ist der Vertreter von ca. 80.000 Familien in Waziristan. Sein Ur-Grossvater hatte bereits gegen die Engländer gekämpft. Mr. X befindet sich im allerengsten Kreis der Taliban-Bewegung und somit in persönlichem Kontakt mit Mullah Omar und Osama bin Laden. Jeden Donnerstag flogen der Minister und ER nach Khandahar zur Besprechung zu Mullah Omar, häufig war auch OBL anwesend. (Aus anderer Quelle wusste ich, dass bei diesen Flügen auch ein Koffer voller US-Devisen die in Kabul "eingesammelt" wurden mitflog.)
Mr. X bietet sich an, unter strengster Geheimhaltung, mit wichtigen Leuten (in Deutschland oder sonstwo) zusammen zutreffen. Zur Förderung des Prozesses, wünscht er sich ein grösseres Engagement von ausländischen NGO´s im Gebiet Paktikar. Dort soll es so gut wie keine Hilfestellung von Europäern geben. Alle Mittel gehen seiner Meinung nach, nach NORDEN oder in den Raum KABUL. Der Wunsch nach einem HOSPITAL wird sehr deutlich. (unter anderem, d. Verf)
Sein Vertrauen ehrt mich. Nach zwei Jahren Bekanntschaft hat er sich mir anvertraut.

Die Zeilen dieses Kapitels gingen damals fast wortgleich als Bericht an unseren Nachrichtendienst (hier nur wg. der Öffentlichkeit etwas verändert).

Am 9-Sept-2001 fahre ich gerade nach Berlin um mir am nächsten Tag bei der afghanischen Botschaft ein neues Visum abzuholen. Nachmittags, ich bin kurz vorm Berliner Ring auf der Autobahn rufe ich meinen Freund Klaus-Peter M. an und sage: stell schon mal das Bier kalt, ich komme gleich bei dir vorbei. ER: Weisst du eigentlich was passiert ist? ICH: Nö ER: Mach mal dein Radio an.. Ich hatte bis zu dem Zeitpunkt weder Nachrichten gelesen noch gehört. Schockiert höre ich was in NY passiert ist. Nochmals greife ich zum Telefonhörer und rufe meine Frau im Büro an, sie wusste natürlich schon Bescheid. Ich sagte: Weisst du wer das war? Das war unser Freund Osama-Bin-Laden. (Natürlich war er nicht unser Freund und ich kannte ihn auch nicht.. es war nur flapsig daher gesagt) Sie sagte sofort: Du bist verrückt sowas am Telefon zu sagen. Beschämt legte ich auf, sie hatte recht. Ich denke die Amerikaner hatten zu dem Zeitpunkt noch keine IDEE woher der Anschlag kam. Da ich bereits in einem Bericht auf Vorgänge im Vorfeld des Anschlags auf die USS Cole in Aden hingewiesen hatte, war ich nun verwundert dass der Bericht von Ostern 2001 wieder keine Beachtung gefunden hatte. Der Angriff auf das US-Kriegsschiff in ADEN hätte die Nachrichtendienste sensibilisieren müssen.

Bei Beachtung meiner Informationen bezgl. ADEN (bereits geschildert) hätte man mit SICHERHEIT den Angriff auf die USS Cole verhindern können.

Ich fragte daher unseren Nachrichtendienst : Habt ihr meinen Bericht nicht gelesen? Mein Kontaktmann versteht mich sofort und sagt ich werde mich mal umhören. 2 Wochen später ruft er mich an und sagt: Man habe die Angelegenheit an die zuständige deutsche Botschaft in ISLAMABAD gegeben, aber da wäre niemand gewesen der sich hätte darum kümmern können. Mein Gott wenn das die Amerikaner erfahren! Oder kannten sie meinen Bericht etwa ?

Der 11. Sept. 2001 hätte ein Tag wie jeder andere sein können, wenn man sich mit Mr. X mal unterhalten hätte.

(Nachtrag 2012: Zuständig war der "Referent für Afghanistan" in der Deutschen Botschaft Pakistan. Bis 1999 war das Rüdiger KÖNIG, offenbar war der Posten 2000-2001 unbesetzt. Ein Witz der Geschichte: Rüdiger König ist heute der Deutsche Botschafter in Kabul).
Auf eines möchte ich an dieser Stelle noch hinweisen: Die USA haben mindestens 2 mal vor dem 9-11-2001 Anschläge auf OBL durchgeführt, die darauf abzielten ihn zu töten (auch bereits hier beschrieben ).

Donnerstag 29.März 2001

Seit einem Monat ist die Frontlinie im Norden Kabuls durchgehend geöffnet. Waren und Personenverkehr fliesst. Dies hat zur Folge das Lebensmittel wie Zucker im Norden drastisch im Preis gefallen sind. Selbstverständlich wird an dieser „Grenze" von beiden Seiten „Wegezoll" auf Waren erhoben . Innerhalb Kabuls sind nur wenige bewaffnete Taliban zu sehen. Das tragen von Waffen ist auch bei den Taliban drastisch eingeschränkt. Militärische Aktivitäten sind nicht festzustellen, kein schweres Kriegsgerät.
Die usbekische Opposition hat ein Büro gleich um die Ecke. Die Taliban unterhalten für die Usbeken ein Trainingslager. Samarkant und Buchara sind moslemische Gebiete in Usbekistan, diese Gebiete sollen „befreit" werden. (heim ins moslemisch-afghanische Reich?)

Ein an sämtliche UN-Behörden und auch persönlich an Kofi Annan adressiertes Hilfeersuchen der Tochter einer inhaftierten und gefolterten Mutter aus Taschkent flattert auf meinen Tisch. Herzzerreissend, aber ich werde es nicht der usbekischen Opposition hier aushändigen. Die Folgen wären unabsehbar.

Jungen werden nicht in die Schule eingelassen, wenn sie keinen Turban tragen. Turbanpflicht für alle Jungen! Die Bevölkerung murrt, die meisten können es nicht bezahlen. Alle öffentlich Bediensteten müssen Turban tragen. Der Turban besteht aus ca. 3-3,5 mtr Stoff .
1600 öffentlich Bedienstete sollen „freigestellt" werden. Dies bedeutet das nunmehr die letzten noch verbliebenen Fachleute verloren gehen.

Ausflug nach Faisabad 2003

Als Spezialist der Telekommunikation und als Afghanistankenner bat man mich nach Faisabad zu reisen um dort den Stand der Telekommunikation zu erforschen und evt. Standorte für Sendemasten zu evaluieren. Von Kabul aus geht die Fahrt zunächst nach POLE-KUMRI dann über KUNDUZ weiter nach TALOQAN und schliesslich nach Faisabad. Pole-Kumri kannte ich bereits aus der Taliban-Zeit, hatte ich dort doch das Zementwerk und eine Wollspinnerei besichtigt. Der Ort Pole-Kumri liegt an einem alljährig wasserführenden Fluss, daher konnte sich dort Industrie entwickeln und die Landwirtschaft blühte dort. Ein Teil des Wassers wurde aufgestaut und ein Turbinenkraftwerk produzierte dort Strom. Für mich war Pole-Kumri einer der schönsten Orte in Afghanistan. Es ist der Knotenpunkt zwischen Kabul, Masaar Sharif und Kunduz. Etwas verwundert war ich dass es schon Mobilfunkmasten in Pole-Kumri gab.

In östlicher Richtung ging nun die Fahrt nach Kunduz, auf halbem Wege befand sich ein "Restaurant". Meine afghanischen Begleiter luden mich ein mit ihnen dort zu essen. Ein typisches Restaurant besteht aus einem oder mehreren Podesten ca 60cm hoch. Vor dem Podest zieht man seine Schuhe aus. Das Podest ist ausgelegt mit Teppichen und Kissen, darauf lässt man sich nieder am besten im Schneidersitz. In der Mitte werden auf einem Plastiktischtuch die Schüsseln mit den Speisen serviert. Für den Hygiene gewohnten Europäer ist es jedes Mal eine Herausforderung dort zu essen. Aber wenn man alle afghanischen Bazillen schon mal kennengelernt hat wie ich, wird die Gefahr an Diarrhoe zu erkranken immer geringer. In Kunduz kam ich in einem Gästehaus unter, welches von einem jungen deutschem Paar geführt wurde. Man fragt sich, was sie veranlasst hat sich dort niederzulassen. Sie waren fleissig und man konnte erkennen dass sie dort ein Hotel für Ausländer herrichten wollten. Es gab dort Toiletten, Betten, Wasser und Pommes Frites; für uns Europäer schon fast das Paradies. Am nächsten Morgen ging es zur afghanischen Kommandantur, ich ging natürlich wieder zu Fuss die zwei Strassen weiter.. naja es waren wohl doch eher vier Strassen weiter. Der Trip eines Ausländers von Kunduz nach Faisabad musste aus Sicherheitsgründen angemeldet werden. Man wollte mir unbedingt 2 bewaffnete "Guards" als Schutz mitgeben aber ich lehnte das ab. Da ich ein Empfehlungsschreiben von ganz oben aus dem Verteidigungsministerium hatte, liessen sie mir meine Sturheit durchgehen und wir einigten uns dann auf einen von Ihnen gestellten Fahrer mit Fahrzeug. Die Kosten musste ich übernehmen. Nachmittags wollte ich dann noch das PRT (Provincial Reconstruction Team) besuchen, aber dort wollte man mich nicht rein lassen. Auch wenn der Begriff PRT etwas anderes verspricht, es ist in Wirklichkeit ein reines Militärcamp der Bundeswehr und da durfte erstmal niemand rein. PUNKT

Am nächsten Tag holte mich der Fahrer ab und los ging die wilde Fahrt. Nicht weit hinter KUNDUZ hörte die Strasse auf und wir fuhren kilometerlang in einem paar hundert Meter breitem Flussbett bergauf. Das Flussbett war weitestgehend trocken nur hin und wieder musste man durchs Wasser fahren. Wie man nach Faisabad käme, wenn die Schneeschmelze dort einen reissenden Fluss entstehen lässt ist mir bis heute schleierhaft. Den Fahrer danach fragen konnte ich nicht, denn er sprach weder englisch noch deutsch und ich bekanntlich so gut wie kein afghanisch. Irgendwann überquerten wir die Bergkette und ab dort gab es dann auch wieder einen Pfad/Weg. Soweit das Auge reichte sah man nun wunderschöne Blumenfelder. Rote, weisse und blaue Blumen. Ähnliches hatte ich schon in Jellalabad gesehen, aber diese riesigen Felder die sich bis zum Horizont ausdehnten und bis Taloqan reichten, machten mir klar woher die DROGEN - die in der Welt konsumiert wurden- kamen, nämlich exakt von hier. Der Taloqan Fluss bewässerte die gesamte Region. Im Ort machten wir Rast, es gab hier ein reichhaltiges Angebot von Obst und Gemüse auf dem Markt, wir deckten uns mit Proviant ein und aßen in einem der üblichen Restaurants Kabob mit Reis oder wars Reis mit Kabob? Speisekarten gibt es in solchen Restaurants üblicherweise nicht, aber immerhin war ich in der Lage auf afghanisch -oder was ich dafür hielt- etwas zu bestellen. Nachdem wir uns von der ersten Etappe nun erholt hatten bereiteten wir uns nun seelisch auf die schwierigste Etappe vor. Der Fahrer hatte zum Zwecke der Orientierung richtige Militär-Landkarten dabei, ich hatte für alle Fälle mein Garmin GPS-Navigator und mein NERA Satphone dabei um im "Notfall" jemanden anzurufen. Muss ich doch grad mal mein GPS-Navigator anmachen.. und siehe da, es steht noch heute alles drin: Taloqan: N36°44´17.8´´; E69°30´49.7´´ Datum 23.Juli-2004 Uhrzeit 10:26. Abfahrt in Kunduz um 8:32.

Ab Taloqan geht es nun über mehrere Gebirgsketten. Die Strasse ist mehr eine einspurige Piste; an Berghängen manchmal nur 3mtr breit und höchst lebensgefährlich bei Regen und Matsch. Hin und wieder sieht man Autos oder LKWs die abgestürzt sind und unten zwischen Felsbrocken im Tal oder im Flussbett liegen. Zwischen Taloqan und Faisabad sind es nur ca. 110km Luftlinie, gefühlt waren es mehr 500km über Stock und Stein. Ankunft daher auch erst am Abend um 19:00 Uhr. Wir fragen uns nach einem General durch, dessen Namen man uns mitgegeben hat. Er ist erstaunt über unseren Besuch, lädt uns aber NICHT ein bei Ihm zu übernachten - etwas sehr ungewöhnlich- aber er gibt uns einen Soldaten an die Hand der uns zu einem Quartier bringt, wo bereits 2 andere Soldaten nächtigen. Jeder ist bewaffnet, na da kann ja nix schiefgehen. Wir fallen nach der (Tor)tour aufs Stroh und ins KOMA. Am nächsten Morgen.. oder war es schon Mittag? hatten die Soldaten für uns schon die Brötchen (sprich das Fladenbrot) vom Bäcker geholt und eine "eiserne Ration" aus amerikanischen Beständen aufgemacht. Ich durfte das Dosen-Fleisch essen, dafür bekamen die Afghanen die Schokolade. Waschen konnte man sich unter freiem Himmel in einer Schüssel, ein kleiner Junge füllte bei Bedarf aus einem Eimer Wasser nach. Eine besondere Geste der Afghanen muss hier noch erwähnt werden: Solange man sich die Hände wäscht, wird einem aus einer Kanne ständig Wasser zum Spülen über die Hände gegossen, quasi als Wasserhahn - Ersatz. Meist macht das ein Junge; macht das ein Erwachsener so ist das als Ehrerbietung anzusehen. Die Toilette befand sich hinter einer kleinen Mauer, bzw. die Mauer war der Sichtschutz für grosse und kleine Geschäfte. Klopapier ist dort eher selten, es empfiehlt sich daher immer etwas dabei zu haben. Afghanen verrichten ihre Geschäfte immer in der Hocke und sind somit prädestinierte Sitzpinkler, im stehen zu pinkeln käme keinem Afghanen in den Sinn.

Ich besuche den dortigen Telekommunikationschef und bestelle ihm schöne Grüsse von seinem Freund der jetzt in Kabul der Technical-Telekommunikations-Minister ist. Der ist überrascht von meinem Besuch und woher ich weiss dass er der Freund des Ministers ist. Ich setze noch einen drauf und packe mein Satphone aus und lasse ihn mit dem Minister in Kabul telefonieren. Nach dem Gespräch sind wir nun auch Freunde und ich komme auf mein Anliegen zu sprechen. Er deutet mir an dass die Chinesen sich bereits um die Errichtung einer Mobilfunkanlage in Faisabad bemühen. Ich bin stutzig, denn "mein" Minister hatte mir gegenüber noch nichts davon erwähnt. Ich erkläre ihm, das die Bundeswehr nach Faisabad kommt und auch ein Mobilfunknetz mit bringt, zwar zunächst einmal nur fürs Militär aber über eine weitergehende kommerzielle Nutzung könne man ja nachdenken. Zwei verschiedene Mobilfunknetze wären in Faisabad daher Unsinn. Ihm in diesem Moment Backschisch zu geben wäre sehr hilfreich gewesen aber das überstieg meine Kompetenzen. Freundlich verabschieden wir uns, aber ich spüre bereits dass der Deal mit China schon gelaufen ist. Dennoch besuche ich strategisch wichtige Locations wo man Mobilfunkantennen aufstellen kann, die den ganzen Ort zu überdecken.

Meine Arbeit ist damit erst mal beendet. Am Nachmittag machen der Fahrer und ich noch eine "Stadtrundfahrt". In der Mitte des Tals fliesst ein reissender Strom (der Kokcha). Am Fluss entdecke ich auf einer kleinen Felsanhöhung ein ansehnliches Haus. Da ich wusste dass der damalige Präsident Prof Rabbani zur Zeit der Taliban sich in Taloqan und in Faisabad aufhielt vermutete ich, dass dies wohl sein Domizil gewesen sein müsste. Wir gingen zu dem Haus und fanden dort jemanden der uns das Haus zeigte, es war leer. Mit wenig Aufwand konnte man daraus ein ideales Gästehaus für Ausländer herstellen. Scheinheilig fragte ich ob Prof Rabbani hier gewohnt hatte und man bejahte dies, lag ich also richtig mit meiner Vermutung. Wenn ich das Haus haben wolle, könne man mir behilflich sein es zu übernehmen. Da könnte ich besser auch gleich mit Prof. Rabbani in Kabul drüber verhandeln dachte ich so bei mir. So gerne ich es genommen hätte -aber hier am Ende der Welt kurz vor China- würde ich gewiss kein privates Hotel führen wollen. Es wird sicher auch hier in Faisabad einige reiche Afghanen geben die das Potenzial dieses Hause erkennen. Jetzt beim Schreiben dieser Zeilen suche ich bei GOOGLE EARTH danach und sehe dass das Dach renoviert und das Haus gestrichen ist und offensichtlich auch als Gästehaus genutzt wird (Star Guesthose). Wir fahren dann flussaufwärts und geniessen die wunderschöne Landschaft. Auf dem Rückweg in der Stadt sehe ich plötzlich zwei Europäer auf der Strasse miteinander reden. Stutze.. den einen kenn ich doch , steige aus und geh zu ihm hin. Er ist genauso so überrascht wie ich, aber dann begrüssen wir uns überschwenglich. ALBERTO (natürlich Italiener) ist Arzt und beim Internationalen Roten Kreuz beschäftigt. Alberto war leidenschaftlicher Tennisspieler und kam daher oft in den German Klub in Kabul. ALBERTO arbeitete jetzt hier in Faisabad im Krankenhaus, ich vermutete als "Chefarzt" aber danach fragen wollte ich ihn nicht. Auf mich wirkte das Treffen mit Alberto beruhigend, denn sollte mir hier etwas passieren wüsste ich mich in seinen Händen. Er lud mich ein ihn doch mal bei Gelegenheit im Krankenhaus zu besuchen. Zum Glück hat sich das nicht ergeben.

Am nächsten Tag war Sonntag und wir fuhren in südlicher Richtung den Fluss hinab bis zum Flugplatz. Flugplatz war etwas übertrieben aber es gab eine Landebahn und zerfallene Gebäude. Überall lag Munition herum. Hinter einem Gebäude stehen mehrere hochwertige Jeeps und ein paar afghanische Honorationen warten dort. Plötzlich ein Dröhnen über unseren Köpfen, zwei schwarze Militärhubschrauber landen 100mtr von uns entfernt, Soldaten springen heraus und sichern nach allen Seiten. Ich war Zeuge des erstmaligen Anflugs der Bundeswehr in Faisabad. Die afghanischen Honorationen sprich General, Bürgermeister und Helfer kümmern sich um die Verladung der Kisten und dem Transport der deutschen Soldaten zu ihrem vorbereiteten Quartier. Nachdem die erste Hektik vorbei ist gehe ich zum Helikopter auf das Flugfeld und spreche den ranghöchsten Offizier an, stelle mich auf Deutsch mit Namen vor. Der Oberstleutnant hatte nun nicht gerade erwartet, dass ihn dort ein Deutscher anspricht und war daher einen Moment sprachlos, als ich ihn dann fragte ob er einen Herrn SOUNDSO mitgebracht hätte war die Überraschung komplett. Herr SOUNDSO war Telekommunikations-Techniker, er kannte den Namen und sagte mir der würde erst bei den nächsten Flügen dabei sein, sie wären erst die Vorhut und würden zunächst das Quartier vorbereiten. Der Wagentross fuhr nun nach allen militärischen Regeln zum neuen Quartier. Wir mit grossem Abstand hinterher. Am folgenden Tag ging ich nochmal mittags in das neue Quartier der BW, denn es sollte Würstchen geben und das konnte ich mir nicht entgehen lassen. Frech fragte ich dann den Chef der Truppe: Wissen sie nun wer ich bin? Natürlich hatte er sich umgehend über mich erkundigt, was in meiner Akte steht wollte er mir aber nicht verraten. Am nächsten Tag machten wir uns auf den Heimweg nach Kunduz. In einer der tiefen Schluchten - wir fuhren ziemlich weit oben am Berg- knatterten unter uns plötzlich 2 schwarze Hubschrauber an uns vorbei. Fliegen können unsere JUNGS ja dachte ich mir und winkte Ihnen hinterher, mit Sicherheit hatten sie uns bemerkt.